Herbert Kaiser ist Leiter des Büros für Assistenz, Information & Service (BASIS) an der Uni Klagenfurt und ist im Vorstand des Beratungs-, Mobilitäts- und Kompetenzzentrums der Uni Klagenfurt

Foto: Herbert Kaiser
Herbert Kaiser, Behindertenbeauftragter der Universität Klagenfurt, Leiter des Kärntner Büros "Basis" für Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz und selbst Rollstuhlfahrer erzählte Marietta Türk warum diese besondere Form der Assistenz notwendig ist. Aus der täglichen beruflichen Praxis kennt er die Vorteile aber auch die Probleme, die im Arbeitsprozess auftreten können. Vor dem Hintergrund des im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Prozent gestiegenen Arbeitlosenanteils behinderter Menschen ist die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz eine sinnvolle Möglichkeit für Menschen mit Behinderung einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können.

derStandard.at: Welche Menschen beanspruchen Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz?

Kaiser: Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz ist gedacht für Menschen mit schwereren Behinderungen. Für jene, die entweder in der Arbeitswelt stehen oder in der Ausbildung oder studieren.

derStandard.at: Bei welchen Arbeitsplätzen ist das überhaupt möglich?

Kaiser: Das können alle möglichen Arbeitsplätze sein, meist sind es aber Bürojobs. Schwierig ist es bei handwerklichen Berufen.

derStandard.at: Wie kann man sich die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz in der Praxis vorstellen?

Kaiser: Je nachdem welche Behinderung man hat, richtet sich der Assistenzbedarf nach den individuellen Bedürfnissen. Menschen mit Behinderung können eine ganz normale Leistung bringen, vor allem bei Bürojobs. Bei der Persönlichen Assistenz geht es darum, dass die Menschen bei gewissen Dingen Unterstützung brauchen und dafür sind eben die Assistenten da.

derStandard.at: Wobei wird zum Beispiel unterstützt?

Kaiser: Zum Beispiel beim Anziehen, Trinken, auf der Toilette oder dabei Ordner aus Kästen zu holen, wenn man im Rollstuhl nicht dazu kommt. Wenn Menschen mit den Armen stärker eingeschränkt sind, muss man auch Bücher vorlegen oder umblättern. Das ist je nach Behinderung sehr unterschiedlich. Wenn das Telefon läutet, brauche ich zum Beispiel jemanden, der mir das Telefon schnell in die Hand drückt, wenn ich selber nicht mehr rechtzeitig dazu komme oder wenn etwas schnell am Computer getippt werden muss.

derStandard.at: Welche Probleme können im Arbeitsleben noch auftauchen, wo Hilfe benötigt wird?

Kaiser: Bei Dienstreisen oder Außenterminen brauche ich jemanden, der mit mir dorthin fährt, weil ich nicht alleine Auto fahren kann. Sehbehinderte oder blinde Menschen brauchen auch sehr viel Begleitung, wenn sie an Orte müssen, wo sie sich nicht auskennen.

derStandard.at: Für wie viele Stunden stehen Arbeitsassistenten zur Verfügung?

Kaiser: Das hängt wieder vom Bedarf ab. Manche unserer Kunden brauchen den ganzen Tag Unterstützung am Arbeitsplatz, manche stundenweise. Je nach Bedürfnis wird das eingestuft. Wenn jemand rund um die Uhr Unterstützung braucht, muss das auch gegeben sein, weil er sonst seine Arbeitsleistung nicht bringen kann.

derStandard.at: Wer ist anspruchsberechtig?

Kaiser: Es gibt eine Richtlinie vom Sozialministerium, die 2004 in Kraft getreten ist. Seitdem gibt es auch die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz in Österreich. Menschen in den Pflegegeldstufen drei bis sieben sind anspruchsberechtigt. Bei den Stufen drei und vier wird noch einmal genau überprüft ob Assistenz wirklich notwendig ist oder ob das mit technischen Hilfsmitteln ausgeglichen werden kann. Wir als Projektträger stellen dann fest wie hoch der Assistenzbedarf ist. Dann wird das vom Fördergeber, dem Bundessozialamt, befürwortet oder nicht und danach kann es mit der Assistenz losgehen.

derStandard.at: Wer sind auf der anderen Seite die persönlichen Assistenten - braucht man dafür eine Ausbildung?

Kaiser: Keine bestimmte. Erfahrungen mit behinderten Menschen sind von Vorteil, aber keim Muss, weil es bei uns Schulungen und die persönliche individuelle Einschulung gibt.

Bei uns ist es so: Die Assistenten sind ganz normale Dienstnehmer. Zuvor werden die Assistenten von uns eingeschult. Sie sind aber nicht von Vornherein schon qualifiziert, sondern werden erst vom Assistenznehmer richtig nach seinen Bedürfnissen ausgebildet. Viele Assistenten machen das neben dem Studium, manche arbeiten aber auch hauptberuflich.

derStandard.at: Welche persönlichen Voraussetzungen muss man mitbringen?

Kaiser: Eine ganz wichtige Grundvoraussetzung in der Persönlichkeit ist, dass man sich zurücknehmen, im Hintergrund halten kann. Man muss die Fähigkeit haben auf Bedürfnisse und Wünsche eingehen zu können.

derStandard.at: Das heißt Arbeitsassistenz ist vor allem etwas sehr Individuelles.

Kaiser: Ja auf alle Fälle. Sehr wichtig ist, dass Menschen mit Behinderung selbst bestimmen können wie die Assistenz aussehen soll.

derStandard.at: Auf welche Probleme stoßen Assistenznehmer und Assistent in der Praxis?

Kaiser: Natürlich kann es Konflikte geben, wie zwischen allen Arbeitnehmern und -gebern. Man muss klar kommunizieren, wenn sich die Assistenten zu sehr in den Vordergrund drängen. Auch wenn etwas stört, muss das kommuniziert werden.

derStandard.at: Warum ist Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz so wichtig?

Kaiser: Menschen mit Behinderung können erst dadurch in den Arbeitsprozess eingebunden werden. Viele können auch im Arbeitsprozess gehalten werden. Wenn jemand eine Behinderung hat, die sich verschlechtert hat, ist es wichtig, dass man trotzdem Unterstützungslösungen bekommt und nicht aus dem Arbeitsprozess ausscheiden muss. Außerdem werden die Familien entlastet.

derStandard.at: Wo kann man sich als Arbeitgeber über Arbeitsassistenz informieren?

Kaiser: In Kärnten am besten auf unserer Homepage bei 'Basis', aber auch bei der Wiener Assistenzgenossenschaft. Es gibt in jedem Bundesland persönliche Assistenzträger. Ein wichtiger Punkt: Persönliche Assistenz ist von öffentlicher Hand bezahlt. Weder Firmen noch Menschen mit Behinderung müssen etwas dazuzahlen. (derStandard.at, 6.3.2007)