Pendlerin zwischen Ithaca und Innsbruck: Chemikerin Kathrin Breuker.
Foto: DER STANDARD/Novartis
Naturwissenschaftliche Experimente sind "nur begrenzt planbar", meint Kathrin Breuker. Für die Forscherin am Institut für Organische Chemie der Uni Innsbruck lohnt es sich insbesondere, solche Daten aufmerksam zu analysieren, die nicht ins gewohnte Bild passen.

Denn: "Wer die experimentellen Daten nur als Ja/Nein-Antworten auf spezifische wissenschaftliche Fragestellungen sieht, wird eben auch nur diese beantworten können." Experimente können aber auch Antworten auf Fragen liefern, die man so gar nicht gestellt hat - sie sind ein Dialog mit der Natur", beschreibt die Trägerin des Novartis Preises für Chemie 2006 ihre Faszination an ihrer Arbeit.

Diese Arbeit besteht in erster Linie darin, mittels Massenspektrometrie die komplexe dreidimensionale Struktur von Biomolekülen zu untersuchen. Die Massenspektrometrie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in der Physik entwickelt und zunächst von Chemikern für die Analyse komplexer Moleküle genutzt. Für Anwendungen in der Biologie gelang der Durchbruch Ende des 20. Jahrhunderts, als neue Methoden zur Desorption und Ionisation von thermisch labilen Biomolekülen vorgestellt wurden. Bis heute werden ständig neue Instrumente, Methoden und Techniken entwickelt.

Mittels Massenspektrometrie und mit einem von ihr entdeckten Phänomen - der "native electron capture dissociation" (NECD) - konnte Breuker etwa zeigen, wie entscheidend der Einfluss der chemischen Umgebung auf Struktur und Stabilität von Proteinen ist. Ohne das omnipräsente Lösungsmittel Wasser kehrt sich die Ordnung in den Eiweißkörpern völlig um - aus starken Wechselwirkungen werden schwache und umgekehrt. Eine andere Methode, die sie für ihre Zwecke nutzt, wurde 1997 an der Cornell University in der Arbeitsgruppe von Professor McLafferty entdeckt, in dessen Labor sie als Postdoc arbeitete und heute noch experimentiert.

Breuker ist seit 2005 Mitglied des "Center for Molecular Biosciences Innsbruck" (CMBI), einem Verband von Arbeitsgruppen, in dem multidisziplinär Struktur, Funktion und Wechselwirkung von biologisch relevanten Molekülen studiert wird. Seit 2002 finanziert Breuker ihre Forschung zu hundert Prozent aus Drittmitteln. Die 39-jährige Firnberg-Stipendiatin würde eine feste Stelle allerdings eindeutig vorziehen.

Spezialinstrument in Übersee

Das für ihre Forschung benötigte Spezial-Massenspektrometer (FT-ICR MS) gibt es aber in Innsbruck (noch) nicht. Alle sechs Wochen fliegt sie deshalb als Visiting Scientist an die Cornell University in Ithaca, um das Gerät ihres Kooperationspartners zu nutzen. Breuker hofft, dass so ein Spezialinstrument auch bald in Innsbruck angeschafft wird, damit sie ihre eigene Arbeitsgruppe aufbauen kann.

In dem interdisziplinären Forschungsgebiet empfindet die Forscherin ihre fachübergreifenden Kenntnisse in Physik und Chemie als Vorteil. Die geborene Bochumerin war schon in der Schule von der Physik fasziniert, ihr Diplom erhielt sie von der Universität Münster. Der Weg in die Chemie führte über die ETH Zürich.

Phasen des intensiven Experimentierens wechseln sich mit der Arbeit am Rechner in Innsbruck ab, wo sie Daten auswertet, Publikationen, Anträge und Vorträge schreibt. Das Pendlerdasein zwischen Innsbruck und den USA lässt allenfalls Zeit zum Lesen zu. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 28. Februar 2007)