Justizministerin Maria Berger (SPÖ) spricht von einem "absolut historischen Höchststand": 9093 Personen saßen mit Stichtag 28. Februar 2007 in den heimischen Gefängnissen. Es gelte daher "dringend" gegenzusteuern.
Zehn Prozent weniger Häftlinge
Mit einem "Haftentlastungspaket" will die Ministerin die überfüllten Gefängnisse leeren - und zwar um mindestens zehn Prozent. Als Leitlinie gibt Berger das Motto "Mehr Sicherheit durch weniger Haft" aus. Die zentralen Inhalte der Reform:
Die bedingte Entlassung soll ausgeweitet werden. Berger will die Generalprävention als Entscheidungskriterium abschaffen. Entscheiden sollen zudem nicht mehr die Richter alleine, sondern gemischte Senate, also Richter gemeinsam mit Sozialarbeitern oder Psychologen. Für Berger ist das "eine Möglichkeit, wie das Vollzugsziel - nämlich die Wiedereingliederung in die Gesellschaft - erreicht werden kann". Die bedingte Entlassung soll zudem künftig auch bei teilbedingten Freiheitsstrafen zum Einsatz kommen.
Der Hausarrest, also die Weiterführung der elektronischen Überwachung in den eigenen vier Wänden, soll künftig in drei Fällen eingesetzt werden: statt kurzer Freiheitsstrafen, in der Vorbereitungsphase auf die Haftentlassung und als gelinderes Mittel zur U-Haft. Statt der fehleranfälligen Überwachung per Satellit sollen "Fußfesseln" künftig ans Telefonnetz gebunden sein.
Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe lautet ein weiterer zentraler Reformpunkt. Ein Modellversuch mit dem Bewährungshilfe- und Opferschutzverein "Neustart" an vier Landes- und drei Bezirksgerichten habe gezeigt, dass gemeinnützige Arbeit oft abschreckender wirke als eine kurze Freiheitsstrafe. Mit dem Effekt, dass dadurch die eigentlich verhängte Geldstrafe öfter bezahlt werde. Studienleiter Christian Grafl vom Institut für Strafrecht der Universität Wien geht im Standard-Gespräch davon aus, dass damit rund 11.500 Hafttage pro Jahr eingespart werden können. "Und das ist noch sehr konservativ geschätzt."
Geldstrafen sollen zudem vermehrt zum Einsatz kommen. Bisher konnten nur Freiheitsstrafen bis zu sechs Monate Dauer finanziell abgeglichen werden, künftig soll dies auch bei Freiheitsstrafen bis zu neun Monaten angewendet werden.
Ausweisungen ausländischer Häftlinge in deren Heimat sollen die heimischen "Häfn" ebenfalls entlasten. Derzeit sind rund die Hälfte aller Gefängnisinsassen Nicht-Österreicher. Ein vor kurzem verabschiedeter EU-Rahmenbeschluss verpflichtet die Heimatländer zur "Rücknahme" straffällig gewordener Landsleute. Drittstaatsangehörige haben künftig nach der Hälfte der Haft die Möglichkeit der freiwilligen Heimkehr. Gleichzeitig werden sie mit mehrjährigen Aufenthaltsverboten in Österreich belegt. Wer trotzdem zurückkommt und erwischt wird, muss die ganze Strafe absitzen.
Gewerbsmäßigkeit: Die häufige Qualifizierung von Straftaten als "gewerbsmäßig", die die Zahl der U-Häftlinge explodieren ließ, soll objektiviert werden. Künftig müssen zumindest drei gleichartige Taten verübt werden, damit dieses strafverschärfende Kriterium erfüllt ist.
Berger will 2008 im Gedenken an die Erste Republik wieder ein Amnestiegesetz anregen. Entgegen der Tradition hatte die Regierung dies 2005 nicht getan.
Nicht nur diese Maßnahme stößt bei der ÖVP auf erbitterten Widerstand. Deren Justizsprecherin Maria Fekter will auch ein "Gefängnistore auf" nicht mittragen. Fekter lehnt nicht nur die Streichung der Generalprävention, sondern auch die Entschärfung der Gewerbsmäßigkeit ab. Dennoch: Die Mehrzahl der Maßnahmen werde von der ÖVP begrüßt.
FPÖ begeistert
Auch die FPÖ ist davon begeistert, ausländische Häftlinge bedingt zu entlassen und abzuschieben. Zufrieden ist auch die "Kriminalpolitische Initiative": Mit diesen Maßnahmen sei es möglich, "sich auf den harten Kern der Kriminalität zu konzentrieren". Auch Kriminologe Grafl engagiert sich in der Initiative und ist sich sicher: "Wo immer Haft vermeidbar ist, sollte man das tun." Ein Tag im Häfn koste immerhin rund 80 Euro. (Karin Moser, Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe 1.3.2007)