Das große Wagner-Spiel um Macht und Verträge kann in Salzburg beginnen: Willard White als Wotan in "Rheingold", wie ihn Regisseur Stéphane Braunschweig sieht.

Foto: Elisabeth Carrechio/Osterfestspiele
Kaum weniger spannend ist allerdings auch die Entstehungs- und Aufführungsgeschichte der Tetralogie.



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Da verzichtet ein Zwerg auf Sex, entwendet drei Nixen deren Spielzeug (einen Goldschatz) und schmiedet daraus einen Ring, dessen Besitzer die Weltherrschaft übernehmen darf. Wenn am Ende der schnöde Mammon wieder an die Eigentümerinnen im Süßwasser zurückgeht, sind nicht nur eine ganze Göttergemeinschaft untergegangen, sondern auch mehr als 16 Stunden Musik vergangen. Dass es dazwischen auch noch viel totes Personal gibt, liegt an den zahlreichen ausgestoßenen Flüchen. Im Grunde würde alles halb so schlimm kommen, wenn Wotan die von Urmutter Erda in Rheingold ausgesprochene Warnung "Weiche, Wotan, weiche!" verstehen würde. Aber Wotan glaubt lieber an eine neue, bessere Welt. Und an dieser Utopie können ja bekanntlich nicht nur Götter scheitern.

Dabei schaut es in Rheingold für die Götter- und Halbgötterriege noch gar nicht so schlecht aus, gelingt es ihnen doch, Zwerg Alberich zu überlisten und ihm das Gold samt dem Ring abzunehmen. Alberich verflucht das Geschmeide, das Wotan danach an die Riesen Fasolt und Fafner abgeben muss. Immerhin herrscht dann mal Ruhe, und die Gottheiten können ihre Burg Walhall beziehen.

Wagner titulierte Rheingold noch bewusst als "Vorabend", in dem die dramaturgischen Fäden zum Geschehen in den drei nachfolgenden Teilen geknüpft werden. Dort gibt es denn auch immer wieder deutliche Bezüge auf die Rheingold-Handlung: in den großen Dialogszenen zwischen Wotan und Fricka bzw. Wotan und Brünnhilde in der Walküre, im Gespräch zwischen Wotan (Wanderer) und Mime in Siegfried oder in der Nornen-Szene der Götterdämmerung. Ein Umstand, um den keine tragfähige Ring-Deutung herumkommt!

Wagner selbst schmiedete beinahe drei Jahrzehnte an seinem Ring. 1848 verfasste er die Schrift Der Nibelungen-Mythus als Entwurf zu einem Drama, in der alle wesentlichen Handlungszüge bereits umrissen sind. Die einzelnen Textfassungen der Tetralogie entstanden indes in umgekehrter Reihenfolge. Die Dichtung zum Rheingold lag 1852 vor, mit der Vertonung begann Wagner 1853. Will man Wagners "Quellenangaben" glauben, verdanken wir die ersten Takte des Ring einem Erlebnis in einem Hotelzimmer in La Spezia:

"Ich streckte mich todmüde auf ein hartes Ruhebett aus, um die langersehnte Stunde des Schlafes zu erwarten. Sie erschien nicht; dafür sank ich in eine Art von somnambulem Zustand, in welchem ich plötzlich die Empfindung, als ob ich in ein stark fließendes Wasser versänke, erhielt. Das Rauschen desselben stellte sich mir bald im musikalischen Klange des Es-Dur-Akkordes dar . . . Mit der Empfindung, als ob die Wogen jetzt hoch über mich dahinbrausten, erwachte ich in jähem Schreck aus meinem Halbschlaf. Sogleich erkannte ich, dass das Orchestervorspiel zum 'Rheingold', wie ich es in mir herumtrug, doch aber nicht genau hatte finden können, mir aufgegangen war."

Aber im Grunde genommen bedürfen wir dieses Berichts über die Konzeption des auf einem einzigen Akkord aufgebauten Vorspiels gar nicht, um die illustrative Macht der gesamten Ring-Musik zu belegen. Denn in keinem anderen Werk Wagners sind szenische und musikalische Konzeption so eng ineinander verwoben. Und nie zuvor in der Operngeschichte war das Verhältnis von Szene und Musik rein bühnentechnisch ein derart problematisches. Man denke nur an die Rheintöchter-Szenen, die Auftritte der Riesen, Flutkatastrophe und Weltenbrand.

Die Rheingold-Partitur lag 1854 vor, Liszt erfuhr es als Erster: "Das 'Rheingold' ist fertig, aber auch ich bin fertig!!! Mit welchem Glauben, mit welcher Freude ging ich an die Musik! Mit wahrer Verzweiflungswuth habe ich endlich fortgefahren und geendet: ach, wie auch mich die Noth des Goldes umspann! Glaub mir, so ist noch nicht componirt worden: ich denke mir, meine Musik ist furchtbar; es ist ein Pfuhl von Schrecknissen und Hoheiten!" Diesen für Wagner nicht untypischen Passagen folgen die üblichen Geldforderungen: "Höre mein Franz! Du musst jetzt helfen! Es steht schlecht - sehr schlecht mit mir . . . Vor allem muss ich aber auch Geld haben . . ."

Wagner wollte den Ring nur als Ganzes aufgeführt wissen. Als sich König Ludwig II. über diesen Wunsch hinwegsetzte und die Rheingold -Uraufführung 1869 anordnete, blieb der Meister demonstrativ fern. Aber der Bayernkönig hatte guten Grund, sich durchzusetzen, er hatte für 30.000 Gulden die Rechte am Ring erworben. Ludwig wusste nicht: Er war bereits der dritte Käufer; Wagner hatte die Aufführungsrechte bereits an Gönner Otto Wesendonck und auch an den Verleger Schott abgetreten. Vielleicht bezog sich ja Theodor Fontane auf diese Unverfrorenheiten, als er schrieb: "Er ist ganz Wotan, der Geld und Macht haben, aber auf 'Lübe' nicht verzichten will und zu diesem Zwecke beständig mogelt." (Peter Stalder/ SPEZIAL/ DER STANDARD, Printausgabe, 01.03.2007)