Der Pianist Yefim Bronfman.

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Das Klavier habe ihn nie wirklich interessiert als einziges Ausdrucksmedium, es sei maximal unpersönlich. "Sie drücken die Taste nieder und produzieren den Klang, und danach können Sie's nicht mehr beeinflussen - der Klang stirbt in dem Moment, in dem Sie ihn hören; ganz im Gegensatz zur menschlichen Stimme, zu Streich- und Blasinstrumenten, wo jeder Moment gestaltbar ist", sagt der Pianist Yefim Bronfman.

Was Wunder, dass der gefragte Pianist, der bei den Osterfestspielen mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll op. 30 spielt, das Klavierspiel als die Umsetzung "der Illusion einer Stimme, mehrerer Stimmen" betrachtet. Es gehe darum, "eine melodische und klangliche Kontinuität zu schaffen, wie man sie von Sängern" lernen könne.

Zugleich sei das Klavier aber das polyfonste Instrument: "Sie müssen alle Stimmen gleichzeitig wahrnehmen, verfolgen. Und da spielt der Grad der Bedeutung die entscheidende Rolle, die Hierarchie der Stimmen." Der dritte, vielleicht wichtigste Aspekt des Klavierspiels sei die orchestrale Qualität: "Das Klavier ist das orchestralste Instrument, es hat alles."

Bronfman wurde 1958 in Taschkent (Usbekistan) geboren. Sein Vater war Konzertmeister im Opernorchester und seine Mutter Pianistin. Gäste und Freunde dieses Musikerhaushaltes waren unter anderem Emil Gilels und David Oistrach. Mit zwölf Jahren spielte Yefim Bronfman das Erste Klavierkonzert von Rachmaninow.

Als Fünfzehnjähriger emigrierte er dann mit seiner Familie nach Israel, studierte an der Universität von Tel Aviv und, später bereits in den USA, an der Juilliard School, dem Marlboro und dem Curtis Institute. Seine Lehrer? Das waren u. a. Leon Fleisher und Rudolf Serkin. Daniel Barenboim war ein wichtiger Mentor.

1975 feierte Bronfman mit Zubin Mehta und dem Montreal Symphony Orchestra sein internationales Debüt. Bronfman ist weltweit unterwegs: In dieser Saison sind Konzerte mit dem New York Philharmonic Orchestra geplant, aber auch mit jenen aus Pittsburgh und Philadelphia. Auch in Europa kooperiert er mit allen wichtigen Orchestern.

Gilels oder Michelangeli? Diese haben ihn beeindruckt, aber Tradition sieht er skeptisch. "Es gibt die Tradition, bestimmte Dinge in einer bestimmten Art zu spielen. Aber: Wenn ich etwas Neues höre, etwas, das ich nie zuvor gehört habe, beeindruckt mich das immer besonders. Auch wenn es seltsam, mir fremd ist. Deswegen glaube ich nicht an Tradition. Ich halte Tradition vielmehr für die sehr dicke Kruste, die wir an unseren Schuhsohlen mitschleppen." (Heidemarie Klabacher / SPEZIAL/ DER STANDARD, Printausgabe, 01.03.2007)