Wien - Angesichts der überfüllten Gefängnisse will Justizministerin Maria Berger mit einem "Haftentlastungspaket" gegensteuern. Das Zehn-Punkte-Programm soll noch heuer ins Parlament kommen und die Zahl der Häftlinge in den kommenden Jahren um zumindest zehn Prozent reduzieren. Passend zur Präsentation wurde laut Berger am Mittwoch ein neuer Rekordstand erreicht: Mit 28. Februar sitzen in Österreichs Gefängnissen genau 9.093 Untersuchungs- und Strafhäftlinge - mehr als je zuvor.

Mehr bedingte Entlassungen

Unter anderem geplant: Mehr bedingte Entlassungen (Streichung der "Generalprävention", Entscheidung nicht nur durch Richter), elektronisch überwachter Hausarrest statt kurzer Freuheitsstrafen und U-Haft, gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafen und die Abschiebung von nicht aufenthaltsverfestigten Ausländern nach der halben Haftdauer inklusive Rückkehrverbot.

Den Anstieg der Häftlingszahlen führt Berger auf die hohe Migration zurück - 42 Prozent der Häftlinge sind Ausländer. Angesichts der überfüllten Gefängnisse und des Personalmangels in der Justiz herrsche derzeit ein "Verwahrungsvollzug" statt ein "moderner Strafvollzug", sagt Berger. Resozialisierungsmaßnahmen für jugendliche Häftlinge seien derzeit "praktisch nicht mehr gewährleistet".

Jugend-Kompetenzzentrum

Zur Verbesserung der Situation in der Jugendgerichtsbarkeit - erst am Dienstag wurden in Wien mehrere Jugendliche (nicht rechtskräftig) wegen des Quälens und Vergewaltigens von Zellengenossen verurteilt - will Berger das geplante zweite Wiener Straflandesgericht als Jugend-Kompetenzzentrum einrichten. Ob dazu auch wieder ein eigener, organisatorisch unabhängiger Jugendgerichtshof geschaffen wird, wird laut Berger derzeit geprüft.

"Mehr Sicherheit durch weniger Haft"

Der Vergewaltigungs-Fall in einer Jugendzelle der Justizanstalt Josefstadt ist für Justizministerin Maria Berger "ein Indiz dafür, dass die Anstalten überfüllt sind". Derzeit sei die Sicherheit für Gefängnis-Insassen und Bevölkerung nicht mehr gewährleistet, so die Ministerin mit Blick auf überfüllte Haftanstalten und mangelnde Resozialisierungsmöglichkeiten. Ihr gehe es daher um "mehr Sicherheit durch weniger Haft". Ins Parlament bringen will Berger ihr Paket noch 2007 - ein Inkrafttreten aller Maßnahmen schon 2008 hält sie jedoch für unrealistisch.

Was den auch von der Richterschaft und Gewerkschaft beklagten Personalmangel angeht, erwartet Berger durch das neue Budget 2007/2008 "einige kleine Beiträge zur Entspannung der Situation". Details wollte sie in der Pressekonferenz am Mittwoch jedoch nicht nennen: "Das Ergebnis der Budgetverhandlungen und den Stellenplan werden der Bundeskanzler und der Vizekanzler bekannt geben."

Umwandlung von Freiheitsstrafen in Geldstrafen

Umgekehrt plant Berger aber auch die Umwandlung von Freiheitsstrafen in Geldstrafen: Derzeit können bis zu sechs Monate Haft finanziell abgelöst werden, künftig sollen es neun Monate sein. Fällig werden dabei zwei "Tagsätze" pro Monat. Tagsätze werden je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit berechnet und können zwischen zwei und 500 Euro liegen. Bei neun Monaten Haft wären das also zwischen 1.080 und 270.000 Euro.

Weniger U-Haft-Fälle erwartet sich Berger auch durch eine Entschärfung der so genannten "Gewerbsmäßigkeit". Wer ein Delikt - etwa bei einen Diebstahl - "gewerbsmäßig" begeht, landet automatisch in Untersuchungshaft. Künftig möchte Berger nur noch dann von "gewerbsmäßigen" Delikten sprechen, wenn die selbe Tat zumindest drei Mal begangen wurde.

Amnestiegesetz zu 90. Republik-Jubiläum

Außerdem wünscht sich Berger im kommenden Jahr ein "Amnestiegesetz". Derartige Begnadigungsaktionen hat es zuletzt 1985 und 1995 gegeben, zum 60. Jahrestag des Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Regierung eine Amnestie jedoch abgelehnt. Daher will Berger nun die nächstbeste Gelegenheit nutzen: 2008 feiert Österreich den 90. Jahrestag der Republik.

ÖVP-Widerstand

Letzteres stößt bei der ÖVP jedoch auf erbitterten Widerstand. "Mit Sicherheit werden wir kein Amnestiegesetz beschließen", betonte VP-Justizsprecherin Fekter. Auch die Entschärfung der "Gewerbsmäßigkeit" und die Streichung der "Generalprävention" lehnt sie ab. Die Mehrzahl der Vorschläge Bergers werde von der ÖVP jedoch begrüßt, betont Fekter: "Die überwiegende Anzahl der Maßnahmen ist bereits auf Schiene und unter der vorigen Ministerin in die Wege geleitet worden."

Die FPÖ begrüßt den Plan, ausländische Häftlinge bedingt zu entlassen und abzuschieben. Allerdings dürfe dies nur bei "minderschweren Delikten" passieren, so FP-Justizsprecher Peter Fichtenbauer. BZÖ-Justizsprecher Gernot Darmann lehnt die Berger-Pläne rundweg ab: Oberste Priorität müsse es haben, das Justiz-Pesonal aufzustocken und nicht "den Täter zu schonen". (APA)