Menschenaffen und Menschen ähneln einander im Verhalten. Auch zwischen Vogel und Mensch gibt es Parallelen.

Illustration: DER STANDARD/Fatih
Die Zeiten, in denen wir Menschen uns als Krone der Schöpfung fühlen durften, sind vorbei. Wir sind zwar die "dominierende Art", aber unterscheiden uns von tierischen Verwandten nicht so dramatisch, wie manche das gerne hätten. Erstaunliche Erkenntnisse von einem Zoologenkongress in Grünau.

*****

Wer in Gruppen lebt, braucht ein paar grundlegende Dinge, wie die Fähigkeit, Individuen zu erkennen. Sonst wird zum Beispiel die Einordnung in eine Hierarchie unmöglich. Von Vorteil ist auch, sich merken zu können, mit wem man welche Interaktionen hatte, um bei zukünftigen Begegnungen richtig reagieren zu können.

Noch mehr Vorteile bringt es, die Befindlichkeiten anderer abschätzen zu können, denn dann kann man das eigene Verhalten entsprechend anpassen. Je größer eine Gruppe, desto komplexer werden diese Zusammenhänge - und desto mehr Rechenleistung für kognitive Fähigkeiten wie Erinnerung, Lernen und dergleichen verlangen sie dem Gehirn ab.

Die Social-Intelligence-Hypothese führt die überragende Gehirngröße und Intelligenz von Primaten (das sind Menschen und Menschenaffen) auf die Anforderungen zurück, die das soziale Leben an sie stellt. Doch nicht nur Primaten sind sozial - zahlreiche Wirbeltierarten, zu denen immerhin Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säuger gehören, leben in Verbänden, in denen das Verhalten jedes Mitglieds eine wesentliche Größe für alle anderen darstellt.

Verhaltensmuster

Wenn Sozialleben ein Motor für kognitive Fähigkeiten ist, sollte man erwarten, dass auch diese Arten entsprechende Verhaltensweisen zeigen - und tatsächlich scheint sich innerhalb der Wirbeltiere diesbezüglich ein Muster abzuzeichnen. In einem hochkarätig besetzten dreitägigen Meeting der Ethologischen Gesellschaft an der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau im Almtal ging es am vergangenen Wochenende um die Frage, ob und warum soziale Strukturen und geistige Leistungen in ganz ähnlicher Form in unterschiedlichen Verwandtschaftsgruppen entstanden sind.

Verwegener Vergleich

Kognitive Ähnlichkeiten zwischen Menschen und Vögeln beispielsweise zu untersuchen mag doch verwegen anmuten - die Grundlagen dafür sind aber durchaus vorhanden: Das Gehirn der Wirbeltiere wurde zwar in vielen Fällen erweitert, aber in seinem Aufbau nie grundsätzlich geändert, und alle Wirbeltiere haben dieselbe physiologische Ausstattung für Emotionen, Paarbindung und Stressbewältigung. Selbst zwischen überhaupt nicht verwandten Tierarten kann es ähnliche Merkmale als Anpassung an vergleichbare Umweltbedingungen geben.

Man nennt das Konvergenz, und ein bekanntes Beispiel dafür sind die zu Grabschaufeln umgebildeten Vorderextremitäten von Maulwurf und Maulwurfsgrille, einem Säuger und einem Insekt, die nichts gemeinsam haben außer einer grabenden Lebensweise.

Ein Schwerpunkt des Meetings lag auf den kognitiven Leistungen von Vögeln, wobei unter anderem sowohl die Grünauer Forscher um Kurt Kotrschal, eine Außenstelle des Instituts für Zoologie der Universität Wien, als auch die Gruppe von Nathan Emery aus Cambridge Erstaunliches zu berichten hatten: So berücksichtigen Kolkraben beim Anlegen von Nahrungsverstecken nicht nur die Anwesenheit von Artgenossen - und damit von potenziellen Plünderern -, sondern sind sogar imstande einzubeziehen, was diese Artgenossen tatsächlich sehen können und was nicht: Werden sie beim Verstecken beobachtet, räumen sie das Versteck sofort aus - wird der Zuseher hingegen etwa durch eine Sichtbarriere behindert, tun sie das nur, wenn dieser auch Anstalten zur Plünderung macht.

Vorsorge treffen

Ebenso treffen Blauhäher Vorsorge gegen Futterdiebe - allerdings nur, wenn sie selbst schon einmal als Diebe unterwegs waren. Beide Verhaltensweisen bedeuten einen starken Hinweis darauf, dass sich diese Rabenvögel zumindest bis zu einem gewissen Grad in die Köpfe ihrer Artgenossen hineindenken können - ein Konzept, das die längste Zeit dem Menschen vorbehalten schien. So kann man sich täuschen.

Einer der weltweit führenden Primatenforscher, Frans de Waal, der auf der Tagung einen öffentlichen Vortrag hielt, entdeckte in den Siebzigerjahren, dass Menschenaffen sich nach einer Auseinandersetzung mit Lauten, Umarmungen oder Küssen versöhnen (siehe Interview unten).

Für Vögel ist ein solches Verhalten bislang nicht nachgewiesen, sie heben sich beschwichtigendes Verhalten für ihre Lebenspartner auf: Saatkrähen und Sperlingspapageien, die in einen Streit verwickelt waren, werden von ihren jeweiligen Partnern zum Beispiel mit Schnabelreiben getröstet. Die Unterstützung hat denselben Effekt wie bei uns Menschen: Sie wirkt stressreduzierend. Selbst Imagepflege scheint keine rein menschliche Eigenart zu sein: Putzerfische befreien andere Fische von Parasiten, aber eigentlich fressen sie lieber den Schleim ihrer Klienten, weshalb diese ständig in Gefahr sind, um den Service betrogen zu werden. Wie Forscher der Universität von Neuchâtel in der Schweiz zeigen konnten, benehmen sich Putzerfische besser, wenn ihnen potenzielle Klienten zusehen, als wenn sie mit einem allein sind. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 28. Februar 2007)