Wien - Nicht nur die stundenlange Live-Übertragung eines Privatsenders hat am Dienstag Kriminalisten wenig Freude bereitet, auch ein Telefon-Interview, das die Tageszeitung "Österreich" noch während der Geiselnahme mit dem Geiselnehmer führte, sorgt für Kritik. Experten halten die Vorgangsweise der Medien für nicht ratsam: Cobra-Chef Bernhard Treibenreif warnte im Gespräch mit der APA davor, mit dem Täter in Kontakt zu treten: "Es erschwert uns die Arbeit, und es kann sein, dass etwas passiert, wenn der Geiselnehmer am falschen Fuß erwischt wird."

"Bitten die Medien um Mithilfe"

"Wenn es geht, sollte man das verhindern", so Treibenreif. "Wir bitten die Medien da natürlich um Mithilfe und appellieren an die Vernunft." Schließlich lasse sich die Reaktion des Geiselnehmers nicht abschätzen: "Es kann vorkommen, dass es eskaliert." Ähnlich äußerte sich auch der Leiter der Abteilung Ermittlungen, Organisierte und Allgemeine Kriminalität im Bundeskriminalamt, Erich Zwettler: "Grundsätzlich nein", meinte er auf die Frage, ob Medieninterventionen in Fällen krimineller Geiselnahmen hilfreich seien. Die Polizei entsende nicht umsonst für solche Sonderlagen ausgebildete Spezialisten.

"Alles, was von außen kommt, ist normalerweise nicht gut", so Zwettler. "In der Generallinie wollen wir nicht, dass alle möglichen Leute mit dem (Geiselnehmer, Anm.) reden." Das solle man Polizei und Psychologen überlassen. An einen ähnlichen Fall konnte sich der Kriminalist nicht erinnern. "In der österreichischen Medienlandschaft ist es normal nicht üblich, dass man jenen Leuten, die vorne die Arbeit machen müssen, in die Quere kommt."

Fellner kann Kritik nicht verstehen

"Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner kann die Kritik nicht verstehen. "Wir sind niemandem in die Quere gekommen und haben auch in keinster Weise in die Ermittlungstätigkeit eingegriffen", so Fellner zur APA. Es sei "überhaupt nichts Illegales passiert", man habe die "ganz normale amtliche Telefonnummer" der Bankfiliale angerufen, um zu sehen, ob die noch in Betrieb sei. "Dass der Geiselnehmer ans Telefon geht - damit rechnet ja keiner", so Fellner. Wenn die Polizei das nun kritisiere, dann hätte sie das Telefon abdrehen müssen, ist der Chefredakteur überzeugt.

Ein Reporter der Tageszeitung hatte am Nachmittag - laut Fellner ohne Rücksprache mit der Chefredaktion - in der Bankfiliale angerufen, sich von einer Geisel mit dem Geiselnehmer verbinden lassen und dann ein Gespräch mit dem Täter geführt, während dieser zumindest eine Geisel noch in seiner Gewalt hatte. Nachdem sich der Mann im Laufe des kurzen Gesprächs offensichtlich erregt hatte, endete dieses damit, dass er einfach auflegte. In einer Passage des Gesprächs sagte der Mann, "Jetzt schiaß i da eini amol", wobei unklar bleibt, ob er sich dabei auf das verschlossene WC bezog. Der Geiselnehmer machte dem Reporter auch das Angebot, mit einer Geisel zu sprechen.

Für Fellner hat der Journalist gute Arbeit geleistet. Kurze Zeit nach dem Telefonat habe der Geiselnehmer aufgegeben - "es wäre also besser, wenn man sich bei uns bedanken würde". (APA)