Eine außergewöhnliche Belastungssituation wie eine Geiselnahme hinterlässt bei den Opfer fast immer Spuren in der Psyche. Posttraumatische Belastungsstörungen können bis zu einem Jahr nach dem Ereignis auftreten und äußern sich in Form von Vermeidungsverhalten, erhöhtem Erregungsniveau sowie "Flashbacks".

"Die so genannte Post-Traumatic Stress Disorder tritt meist drei Monate bis ein Jahr nach dem Vorfall auf. Natürlich kann es auch davor zu akuten Belastungsstörungen kommen", erklärt der Traumatherapeut Cornel Binder-Krieglstein. Im Fall einer Geiselnahme in einer Bank kann es vorkommen, dass die Betroffenen Probleme haben, ein Geldinstitut zu betreten. Im Alltag können sich die Spätfolgen in Schlafstörungen, allgemeiner Anspannung, leichter Reizbarkeit oder Appetitlosigkeit äußern.

Entscheidend ist laut dem Therapeuten auch, wie sich die Geiseln in der Extremsituation verhalten, also ob sie "den Helden spielen" oder mit Gehorsam reagieren. Mitarbeiter von Geldinstituten werden mittlerweile von Traumatherapeuten geschult, wie man sich bei Überfällen und Geiselnahmen verhält.

Ein extremes Phänomen ist das "Stockholm"-Syndrom: Dabei solidarisieren sich Opfer mit dem Geiselnehmer oder fühlen sich zu ihm hingezogen. Verpflegung oder die Erlaubnis, aufs WC zu gehen, werden als Großzügigkeit empfunden. Das "Stockholm"-Syndrom geht auf einen Banküberfall im Jahr 1973 in der schwedischen Hauptstadt zurück. Bei der fünftägigen Geiselnahme verliebte sich eine Frau in einen der Täter.

Rasche Betreuung kann Folgeschäden aber verhindern oder zumindest mildern. Bei der aktuellen Geiselnahme kümmerten sich vier speziell ausgebildete Mitarbeiter der Akutbetreuung Wien um die freigelassenen Opfer. Ziel ist die emotionale Stabilisierung der Betroffenen, aber auch die Aufklärung und Unterstützung von Angehörigen. (kri, DER STANDARD - Printausgabe, 28. Februar 2007)