Flowerpornoes: "Wie oft musst Du vor die Wand laufen, bis der Himmel sich auftut?"

Das kann man getrost als musikalisches Großereignis bezeichnen: Nach elf Jahren kehren die Flowerpornoes mit neuem Album zurück - mit anderen Worten: die beste deutschsprachige Band der letzten 20 Jahre ist wieder da. Sie waren vor Blumfeld und den Sternen (ironischerweise werden sie nun auch nach Blumfeld sein), pfiffen aber stets auf Popstar-Status ... und erreichten ihn auch nie. Mit Tom Liwas Gabe einzigartige Songtexte zu schreiben und mit Gitarrenakkorden, die direkt ins Sonnengeflecht gehen, sind die Flowerpornoes nicht bloß eine Band, sie sind ein Gefühl. Das ist schwer in Worte zu fassen (trotzdem werd ich's demnächst in Form einer Langrezension versuchen). Kurz gesagt: Kauft, Leute, kauft - und den ganzen Backup-Katalog gleich dazu! (V2/edel)

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Flowerpornoes

Coverfoto: V2

Hanne Hukkelberg: "Rykestrasse 68"

Es scheint ein skandinavischer Archetypus zu sein: Die Sängerin mit fragiler Stimme, die Einflüsse aus Jazz, Folk und Electronica in den Pop hereinholt und mit ebenso lieblichen wie ein wenig unheimlichen Balladen beeindruckt. Siehe etwa Stina Nordenstam, El Perro del Mar oder auch Múm. Hanne Hukkelberg aus Norwegen arrangiert trotz eines großen Repertoires von Instrumenten und Gebrauchsgegenständen auf eine sehr zarte Weise - und ein bisschen klingt es so, als hätte jemand zu Doris Day gesagt: Versuch doch mal mehr wie Billie Holiday zu klingen - und lass alles Plakative draußen. Und wer schon Tori Amos' Piano-Version von "Smells Like Teen Spirit" für gefühlvoll hielt, sollte sich mal anhören, was die Norwegerin hier aus "Break My Body" der Pixies macht ... (Nettwerk/Soulfood)

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Hanne Hukkelberg

Coverfoto: Nettwerk

Monta: "The Brilliant Masses"

Glänzte die zuvor genannte Platte mit Brüchen und spannungsgeladenen Momenten der Stille, so tut es diese mit absolutem Ebenmaß. - Es ist praktisch unmöglich, einzelne Stücke aus "The Brilliant Masses" herauszuheben, so konstant hält der Würzburger Tobias Kuhn eine ebenso melancholische wie warme Atmosphäre aufrecht. Die elf ruhigen Stücke im Grenzland zwischen Folk, Pop und Rock erinnern ein wenig an The Notwist oder Fuzzman - letzterer hat die Platte auch zusammen mit Kuhn produziert. (Klein/Soulseduction)

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Monta

Coverfoto: Klein

The Earlies: "The Enemy Chorus"

Auf wie vielen Spuren ist dieses Album eigentlich aufgenommen worden? Dabei hat die britisch-texanische Band ja nicht zuletzt dadurch für Aufsehen gesorgt, dass ihre verstreuten Mitglieder die Stücke durch Tour-Retour-Verschickung von Bändern über den Atlantik zusammenfügt. Die Post wird's freuen, denn da muss so einiges unterwegs gewesen sein. Hebt man sonst Bläser-, Chor- oder Orgelarrangements extra heraus, so kommen sie hier als Teil eines wahren Soundstrudels angebrandet: Psychedelik-Rock im Stil der frühen 70er, allerdings mit einer starken elektronischen Unterströmung - und in einem Wort zusammengefasst: elefantös. (Grönland Records/Hoanzl)

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The Earlies

Coverfoto: Grönland Records

2raumwohnung: "36 Grad"

Wer leidende Künstler sucht, ist in der 2raumwohnung an der ganz falschen Adresse: Hier herrscht der Leidensdruck von jemand, der gelassen aus einem Strandkorb winkt, Cola Rum süffelt und süße Nichtigkeiten wie Wow - ist das schön murmelt. Oder Wie gut, dass Blumen nicht reden. Hä? Egal, es hat 36 Grad, schlichte Elektropop-Girlanden ziehen wie Schäfchenwolken über den Himmel und Inga Humpe raunt selbstversunkener denn je. Konsequent jeden negativen Gedanken verbannend, schwebt die Platte satt und glücklich dahin - soviel Wohlgefühl wird auf Dauer ein bisserl fad, entfaltet streckenweise aber noch erstaunliche Sogwirkung. (Labels/EMI)

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2raumwohnung

Coverfoto: Labels

Alex Gopher: "Alex Gopher"

Die umtriebige French House-Größe Alex Latrobe hat sich der Gitarre zugewandt und bei der Suche nach Vorbildern in erster Linie nach England und Amerika geblickt. Herausgekommen ist in Form von Stücken wie "Carmilla", "The Game" oder "Brain Leech" der spritzigste Dance-Rock aus Frankreich, seit Benjamin Diamond die Szene betrat. Und weil bei den langsameren Stücken auch zwei ehemalige Bandkollegen Gophers, die heute als Air bekannt sind, mitmischten, drängt sich der Direktvergleich mit deren fast zeitgleich erschienenem neuen Album geradezu auf. -->
(Go 4 Music/edel)

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Alex Gophers MySpace-Seite

Coverfoto: Go 4 Music

Air: "Pocket Symphony"

When the redhead girl goes by / the course of time stands still ... - offenbar ist das rothaarige Mädchen vorbeigegangen, denn Air bewegen sich auf einer hyperbolischen Bahn ins Nichts hinaus. Ausgenommen "Mer du Japon" zieht sich ein einziger Takt durchs ganze Album, und der ist sehr, sehr langsam. Jedenfalls beweist man Humor, indem man einen der Tracks "One Hell of a Party" nennt - gesungen von Jarvis Cocker, der zweiten Gaststimme auf dem Album neben Neil Hannon von The Divine Comedy. Tief im Leerraum zwischen Kitsch und Sterilität schweben Dunckel und Godin als zärtliche Cousinen, umflort von wunderschönen Synthie-Arrangements, doch Lichtjahre entfernt von jedem Höhepunkt. Gopher gewinnt. (Virgin)

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Pocket-Symphony.com

Coverfoto: Virgin

Anajo: "Hallo, wer kennt hier eigentlich wen?"

Mein lieber Herr Gesangsverein - manchmal steht man vor einem echten Rätsel. Da hört man sich eine Platte durch, die keine einzige stilistische Besonderheit aufweist: Gitarrenpop, ein wenig Keyboards, die auf Hammond-Orgel machen, pfiffige Texte und gnadenlos gute Laune - und alles in Dur, Dur, Dur. Trotzdem zündet das, was die drei Augsburger hier vorlegen, mehr als Vieles von musikalisch avancierteren Kollegen. Eine echte Empfehlung! Kein einziger Absacker auf dem ganzen Album - und mittendrin ein ultrasupersüßer Schlager der Hilflosigkeit, "Wenn du nur wüsstest". - Also, wer von dem nicht gerührt ist, der hat wirklich kein Herz. (Tapete/Hoanzl)

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Anajo

Coverfoto: Tapete

Imogen Heap: "Speak For Yourself"

Warum denken beim Stichwort weibliches Songwriting so Viele an der Ladenkasse bloß an Norah Jones? Selbst wenn sich nicht jeder gleich zu Kate Bush, Björk oder Joanna Newsom vorwagt - als Kompromiss könnte man's doch zumindest mit dem Europa-Release von Imogen Heaps 2005er Album "Speak For Yourself" versuchen. Trotz Grammy-Nominierung (in der Regel ein geschmackliches Todesurteil) und einiger Leerläufe bietet die Britin mit ihrer Synthese aus Elektronik, Harfe und Streichern auch manch Gelungenes: "Headlock" zum Beispiel. Oder das durch den Vocoder gequetschte Acappella-Stück "Hide and Seek" - das hätte Laurie Anderson auch nicht besser hingekriegt. (Sony)

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Imogen Heap

Coverfoto: Megaphonic Records/Sony

Patrick Wolf: "The Magic Position"

Um Redundanzen mit der gerade erst erschienenen Langrezension vorzubeugen, mach ich mir's hier einfach und lege einfach einen Link drauf. - Patrick Wolf heißt: Gelebte Liebe zur Musik, kreativ und leidenschaftlich - was mehr kann man sich wünschen? Und vielleicht verabschiedet sich dann ja irgendwann einmal auch das längst unpassend gewordene Wort "Talent" aus den Rezensionen: 23 Jahre hin oder her, der Mann hat jetzt seine dritte Platte heraußen. Wie viele braucht es denn noch? (Loog Records/Polydor)

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Patrick Wolf

Coverfoto: Loog