Karl Aiginger, Leiter des Wifo und Mahner für "mehr Politik" trotz Frühlingssonne in der Wirtschaft.

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Wien – Das Konjunkturklima sei "ein Frühling, noch kein Sommer", aber immerhin sei Österreichs Wirtschaft nun das vierte Jahr in Folge stärker gewachsen als der Euroraum, sagte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Karl Aiginger, am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Deshalb habe man die Langfristprognosen für Österreich hinaufgesetzt.

Von "Vollbeschäftigung" keine Spur

Von 2007 bis 2011 seien real durchschnittlich 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum zu erwarten. Das BIP-Plus fällt damit deutlich höher aus als in den vergangenen fünf Jahren (1,7 Prozent jährlich), bisher waren bis 2011 nur 2,1 Prozent jährlich angesetzt worden. Doch das österreichische "Grundproblem" werde damit nicht gelöst: Die Arbeitslosigkeit bleibt – trotz eines stetigen Rückgangs und steigender Beschäftigung – verhältnismäßig hoch: 6,2 Prozent nach österreichischer Rechnung im Jahr 2011, nach 6,8 Prozent im Vorjahr und 6,5 Prozent heuer. Von einer "Vollbeschäftigung", wie von der Regierung angestrebt, also keine Spur.

Österreich habe im europäischen Vergleich zwar unbestrittene Vorteile wie moderat gestiegene Lohnstückkosten, Ostkompetenz und weniger Konsolidierungsbedarf im Budget. Trotzdem gibt es nach Ansicht des Wifo-Chefs Handlungsbedarf, um den Standort mittelfristig "nicht in eine ähnliche Situation wie Deutschland in den vergangenen fünf Jahren" fallen zu lassen – sprich: in Lähmung, Rezession, Rekordarbeitslosigkeit. Aiginger in Richtung Politik: "Es wird im Allgemeinen unterschätzt, wie hoch der Veränderungsbedarf in Östereich ist."

Ein Beispiel sei die kürzlich ausgebrochene Facharbeiter-Debatte. Die Ausbildung in Österreich sei "zu wenig breit", sagte Aiginger. Das zeige sich insofern, als in einigen Bereichen Mangel an Arbeitskräften herrsche, in anderen ein Überangebot. Steuerung sei gefragt. So sollte man künftig den so genannten Blum-Bonus nur mehr so vergeben, dass zukunftsträchtige Lehrstellen gefördert werden. Zur Blum-Prämie an sich sieht Aiginger wenig Alternativen, trotz Mitnahmeeffekten.

Wichtig sei dabei auch ein Integrationskonzept für Migranten: "Für die Industrie entscheidende Qualifikationen werden künftig vor allem von Migranten bestritten werden", sagte Aiginger. Diese sollte man entsprechend ausbilden.

"Schlecht geplant"

Der aktuelle Mangel in den Metallberufen sei ein erstes Anzeichen dafür, dass "schlecht geplant" werde. Spätestens im Jahr 2015 werde ein genereller Arbeitskräftemangel eintreten und dafür müsse sich das Land wappnen. Das Wifo habe im Übrigen in einer Studie für Oberösterreich bereits 2004 vorhergesagt, dass Mangel in Metallerberufen herrschen werde, ebenso wie bei Technikern mit Matura und Studienabschluss sowie in Gesundheits- und Sozialberufsgruppen.

Sozialminister Erwin Buchinger (SP) hat indessen im STANDARD-Gespräch in Aussicht gestellt, dass es bei der Regierungsklausur am kommenden Wochenende in Linz zu einem Kompromiss in Sachen Facharbeiter und der sektoralen Öffnung für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Ländern kommen könnte.

"Man sollte zuerst schauen, was man im AMS an Vorqualifikationen, die vorhanden sind, nutzen kann, um mit Aufschulung diese Qualifikation zu erreichen. Das dauert oft nur drei bis sechs Monate", sagte Buchinger. Erst danach sollten die "Sozialpartner feststellen, dass wirklich diese Mangelsituation am Arbeitsmarkt da ist und kurzfristig nicht behebbar ist", um eine branchenweise Ostöffnung vor 2009 zu rechtfertigen. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.2.2007)