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Foto: APA/EPA/Danny Moloshok
Ein Hauptdarsteller (Matt Damon), der aufgrund von Verpflichtungen bei einem alten Freund (Robert De Niro) drei Monate früher drehen muss; ein Script, das entsprechend weniger gut aufbereitet ist; ein weiterer Hauptdarsteller (Jack Nicholson), der solche Schwächen gnadenlos nützt, die eigene Rolle aufzumöbeln:

Zeugenberichten zufolge dürften die Dreharbeiten zu The Departed nicht ganz einfach gewesen sein. Und wenn man es schon nicht als Wunder bezeichnen will, dass Martin Scorseses Thriller bei Kritik und Publikum Furore machte und jetzt sogar vier Oscars erhielt - dann kann man immerhin sagen: Ohne die immense Erfahrung, die der italoamerikanische Regisseur gesammelt hat und vor allem ohne Mitstreiter wie Scorseses langjährige Cutterin Thelma Schoonmaker (die ebenfalls einen Oscar erhielt) wäre dieser Erfolg undenkbar.

Der heute 64-jährige Filmemacher und Cineast ist einiges gewohnt: Flops wie New York, New York oder The Gangs of New York ebenso wie grenzwertige, nie mit dem Oscar belohnte Erfahrungen mit einem Ausnahmeschauspieler wie Robert De Niro (Mean Streets, Taxi Driver, Raging Bull, King of Comedy u. a.). Und wenn zum Beispiel ein junger Star wie Leonardo DiCaprio irgendwann beschloss, möglichst nur noch mit Scorsese arbeiten zu wollen - dann demonstrierte er dabei eine Verehrung für einen Meister, der unzählige Regisseure, Kritiker und Zuschauer geprägt hat wie kaum ein anderer US-Künstler der Gegenwart.

Wer sich auf das Kino und die Cinephilie des Martin Scorsese einlässt, wird nicht nur infiziert mit einem italoamerikanischen Kosmos aus Gewalt, Schuld und Sühne. Egal, ob Scorsese sich für Filmrestaurationen (zuletzt etwa Viscontis Der Leopard) engagiert, sich für das Werk verkannter B-Picture-Regisseure stark macht, die Ehrenpräsidentschaft des Wiener Filmmuseums übernimmt, Lieblingsmusiker wie The Band, Bob Dylan oder demnächst die Rolling Stones porträtiert - er lebt das Kino und die Populärkultur so inständig wie seine Stars ihre Rollen.

Wo und wie sich dann das Private und die Arbeit vermengen, die Obsession und der Alltag eins werden: Daraus ist der Künstler nach mittlerweile fünf Ehen vermutlich selbst nur bedingt schlau geworden. Als Kind schwebte ihm angeblich ein Leben als Priester vor. Schon mit seinem ersten Langfilm Who's That Knocking At My Door (1967) riskierte er den Bankrott.

Insofern ist jetzt der Oscar, wiewohl lange erwartet, nur eine kleine Zwischenstation auf dem Weg zu neuen Wahnwitzigkeiten: Dem Vernehmen nach will Scorsese 2008 unter dem Titel Silence die wahre Geschichte portugiesischer Jesuiten im Japan des 17. Jahrhunderts verfilmen. Mit DiCaprio plant er ein Bio-Pic über Theodore Roosevelt. (Claus Philipp/ DER STANDARD, Printausgabe, 27.02.2007)