"Imperiales Bündnis" in Europa
Stoiber und Bosbach stützen sich auf Äußerungen, die Klar bereits Anfang Januar in einem Grußwort an die linke Rosa-Luxemburg-Konferenz gerichtet hatte. Darin hatte er sich in einer Diktion, die in globalisierungskritischen Kreisen üblich ist, gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem gewandt. Während in Lateinamerika seit einigen Jahren "endlich den Rechten der Massen wieder Geltung gegeben" werde, werde Europa weiter von einem "imperialen Bündnis" beherrscht, hatte Klar in seinem verlesenen Grußwort erklärt.
"Von hier aus (Europa) rollt weiter dieses imperiale Bündnis, das sich ermächtigt, jedes Land der Erde, das sich seiner Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in einen Trümmerhaufen zu verwandeln", schrieb Klar.
Kein Aufruf zur Gewalt
In Europa müssten die "ökonomisch gerade abstürzenden großen Gesellschaftsbereiche den chauvinistischen 'Rettern' entrissen werden. Sonst wird es nicht möglich sein, die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen." Die Welt sei reif, "dafür, dass die zukünftigen Neugeborenen in ein Leben treten können, das die volle Förderung aller ihrer menschlichen Potenziale bereithalten kann und das die Gespenster der Entfremdung von des Menschen gesellschaftlicher Bestimmung vertreiben wird", heißt es an anderer Stelle. Zu Gewalt oder anderen Straftaten ruft Klar in seiner kurzen Botschaft nicht auf.
Stoiber nannte die Äußerungen einen "Aufruf zum Kampf gegen unsere Grundwerte". Statt sich von seinen Morden und Verbrechen zu distanzieren, rufe Klar weiter zum Kampf gegen die deutsche Gesellschaft auf. Sein Gnadengesuch an Bundespräsident Horst Köhler nannte der CSU-Vorsitzende "den Gipfel der Unverschämtheit". Es stelle sich vielmehr grundsätzlich die Frage, ob die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Klar nicht bedeuten müsse, "dass er auf Dauer hinter Schloss und Riegel gehört".
Um die Begnadigung Klars gibt es seit Wochen eine heftige Debatte. Bundespräsident Köhler prüft derzeit ein Gnadengesuch Klars, das dieser bereits an Köhlers Vorgänger Johannes Rau gerichtet hatte. Das Präsidialamt äußert sich nicht zum Stand des Verfahrens, nach Medienberichten befasst sich Köhler aber intensiv mit der Angelegenheit.