Berlin - Sozialdemokraten und Gewerkschaften in Deutschland haben den Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos zu einer weiteren Anhebung des Rentenalters als realitätsfern abgelehnt. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf dem CSU-Minister am Montag im ZDF-Morgenmagazin eine unnötige Verunsicherung der Menschen vor. Gleichzeitig verteidigte Heil die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre als "notwendigen Schritt". Die Bundesregierung betonte, sie plane keine weitere Erhöhung des Rentenalters über 67 Jahre hinaus.

keine konkreten Gesetzesvorschläge

Es gebe keine konkreten Gesetzesvorschläge, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Nach den bisherigen Untersuchungen gehe die Bundesregierung davon aus, dass mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre die Niveausicherungsgrenze gehalten werden könne. Glos hatte am Wochenende auf die Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme verwiesen und eine weitere Anhebung des Rentenalters in Spiel gebracht.

Im März soll im Bundestag die Erhöhung des Renteneintrittsalters um zwei Jahre beschlossen werden. Am Montag fand im zuständigen Bundestagsausschuss eine Expertenanhörung statt. Rund 2.000 Gewerkschafter begleiteten die Anhörung mit einer lautstarken Protestaktion im Regierungsviertel. Auch Sozialverbände erneuerten ihre Kritik.

Verkappte Rentenkürzung

DGB-Chef Michael Sommer sprach von einer verkappten Rentenkürzung. "Das sind Armutsrenten, mit denen man uns abspeisen will", sagte er. Bei 1,2 Millionen Arbeitslosen über 55 Jahre sei eine Heraufsetzung des Rentenalters schlichtweg unsozial. Mit wenigen Ausnahmen könnten die Menschen nicht bis 67 arbeiten. Er kündigte an, die Gewerkschaften würden in ihrem Widerstand nicht nachlassen und die Rente mit 67 zum Thema für die Bundestagswahl 2009 machen. IG-BAU Chef Klaus Wiesehügel hielt den Politikern Borniertheit vor. 73 Prozent der Menschen seien gegen eine Erhöhung des Rentenalters.

Ver.di-Chef Frank Bsirske sagte im WDR, es sei paradox, in einer Situation mit mehreren Millionen Arbeitslosen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu fordern. Außerdem beschäftigten nur 60 Prozent der Betriebe überhaupt Menschen, die älter als 50 Jahre sind.

Armutsgefährdung steigt

Der Sozialverband VdK befürchtete niedrigere Renten für künftige Ruheständler. "Die Armutsgefährdung für künftige Rentner steigt", stellte Verbandspräsident Walter Hirrlinger fest. Der Sozialverband Deutschland verlangte eine Beschäftigungsinitiative für Ältere. Die Rente mit 67 sei ein untaugliches Konzept, das die Probleme nicht löse, sagte Verbandspräsident Adolf Bauer.

Der Arbeitsmarktexperte der Unionsfraktion, Ralf Brauksiepe, sagte mit Blick auf die Gewerkschaften, die Koalition lasse sich nicht vorführen und öffentlich unter Druck setzen. Die Fakten sprächen für ein späteres Renteneintrittsalter, da die Lebenserwartung der Menschen weiter steige, sagte er im Deutschlandradio Kultur.

Der Streit über die Erhöhung des Rentenalters belastet zunehmend das Verhältnis zwischen Sozialdemokraten und Gewerkschaften. SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte die Gewerkschaften gewarnt, Druck auf die Abgeordneten auszuüben. Viele Parlamentarier vor allem vom linken Parteiflügel fordern flankierende Maßnahmen zur Abfederung bei der Heraufsetzung des Rentenalters. Sie verlangen unter anderem die Wiedereinführung der Vorruhestandsregelung. (APA/AP)