Der US-Anbieter Lucent fusionierte zum Jahreswechsel mit der französischen Alcatel, die noch über die frühere ITT ein starkes Standbein in Österreich hat. Mit dem Merger bekommt der Österreich-Standort mehr Aufgaben, erläutert Alcatel-Lucent-Chef Franz Hofbauer.

Foto: Standard/Alcatel-Lucent
STANDARD: Mit dem Merger von Alcatel und Lucent zum Jahreswechsel wird jetzt kräftig aufgeräumt. Alcatel-Lucent-Chefin Patricia Russo will 12.500 Stellen streichen. Wie wirkt sich das auf die Gesellschaft in Österreich aus?

Hofbauer: Die Reduktionen werden weltweit immer unter Berücksichtigung der jeweiligen lokalen Gegebenheiten erfolgen. Da es in Österreich keine Lucent-Parallelorganisation gibt, erwarten wir keine größeren Auswirkungen.

STANDARD: Und was bedeutet der Merger für das Geschäft in Österreich?

Hofbauer: Alcatel-Lucent in Österreich wird sich voll auf das Geschäftsgebiet Telekommunikation konzentrieren. Das heißt für uns, dass wir das Geschäftsfeld Eisenbahnsicherungstechnik - hier sind 200 Leute beschäftigt -, an die Thales abgegeben haben. Das ist international akkordiert - im Zuge des Alcatel-Lucent-Mergers wurde vereinbart, dass das Satelliten- sowie das Sicherheits- und Signaltechnikgeschäft von Alcatel in den französischen Rüstungselektronikkonzern Thales eingebracht wird. In Österreich wurde der Bereich Signaltechnik deshalb zum 1. Jänner eine eigene Firma; der österreichische Thales-Firmensitz bleibt aber im Gebäude der Alcatel-Lucent in Strebersdorf.

STANDARD: Was plant Alcatel-Lucent als Netzwerkspezialist für die Zukunft?

Hofbauer: Mit der Fusion sind wir der weltgrößte Anbieter von Festnetztechnik und der zweitgrößte Anbieter von Mobilfunk- und Internettechnologien. Mit Lucent haben wir hervorragende technische Ressourcen, weil Lucent eine andere Netzwerktechnologie als Alcatel hat. Das gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsvolumen liegt bei drei Milliarden Euro. Ich sehe die Entwicklungsmöglichkeiten sehr positiv.

STANDARD: Noch unter Lucent, also vor dem Merger, wurden einige Patentklagen, etwa gegen Microsoft und Dell, eingebracht. Letzte Woche wurde Alcatel-Lucent zu MP3-Patenten Recht gegeben, weshalb Microsoft eine Milliardenstrafe ins Haus steht. Welche Patente hat Lucent denn noch in die Partnerschaft eingebracht?

Hofbauer: Die laufenden Patentklagen zeigen, dass Intellectual Property Rights eines der Hauptassets von Technologieunternehmen sind und es deshalb wichtig ist, diese Assets zu schützen und gegen Angriffe zu verteidigen. Lucent hat seine gesamten Forschungseinrichtungen mit in die Fusion eingebracht. Somit sind nunmehr auch die berühmten Bell Labs Teil des Gesamtkonzerns. Insgesamt verfügt das Gesamtunternehmen Alcatel-Lucent nunmehr weltweit über 25.000 aktive Patente, und wir erwarten, dass jährlich mehr als tausend neue Patente dazukommen.

STANDARD: Die Fusion selbst wurde von den Analysten aber bisher nicht positiv bewertet.

Hofbauer: Große Firmenzusammenschlüsse wirbeln immer viel Staub auf und haben eine stürmische Anfangsphase. So einen Merger muss man längerfristig sehen. Aber technologisch hat der Konzern ein sehr gutes Portfolio und eine größere Produktpalette.

STANDARD: Nun wird aber gerade von Marktbeobachtern gesagt, dass sich Netzwerkausrüster warm anziehen müssen, weil die Konkurrenz in China beginnt, auf westliche Märkte zu drängen.

Hofbauer: Dieses Problem sehe ich nur auf der Ausrüstungsseite, im Boxselling für wenig anspruchsvolle Netzwerke. Da gibt es einen mörderischen Wettbewerb, da kommt etwa die chinesische Huawei. Aber in diese Richtung gehen wir nicht, in einem Preiswettbewerb können wir nicht gewinnen.

STANDARD: Sondern?

Hofbauer: Wir konzentrieren uns auf komplexe technische Lösungen. Was unsere Kunden, die Netzwerkbetreiber, brauchen, sind eine Transformation, eine Migration und ein Zusammenschluss von Netzen. Die wesentlichen Themen sind Services und Wartung. Dafür braucht man eine Mannschaft vor Ort und technische Skills.

STANDARD:Zurück zur Mannschaft vor Ort. Alcatel-Lucent hat nun nach der Abspaltung von Thales 650 Mitarbeiter in Österreich. Wie ist die neue Aufgabenverteilung?

Hofbauer: Ich bin Österreich-Verantwortlicher; von Wien aus hat das Management für Central Europe die formale Verantwortung für vier Länder in Osteuropa sowie die Schweiz. Das ist eine Aufwertung für den Österreich-Standort. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.2.2007)