Warschau - Die Polen sind in der Beurteilung der neuesten Geschichte ihres Landes gespalten. Das ergab eine am Freitag veröffentlichte Umfrage der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Während die ältere Generation und die Landbevölkerung stolz auf die Zeit der kommunistischen Volksrepublik Polen zu sein scheinen, brüsten sich die Jüngeren und die Stadtbewohner mit der demokratischen III. Republik (1989-2005). Schlecht schnitt bei den Befragten allerdings die "Vierte Republik" der Kaczynski-Brüder ab.

Laut der Umfrage sind 56 Prozent der über 60-jährigen Polen stolz auf die Volksrepublik Polen, während die meisten in dieser Generation dem Polen nach 1989 kritisch gegenüber stehen. Unter den 25- bis 39-Jährigen erinnern sich nur 26 Prozent mit Nostalgie an die kommunistischen Zeiten. Auch wenn man die Landbevölkerung isoliert betrachtet, zeigt sich dieses Bild. Auf dem Lande überwiegt der Stolz auf die Volksrepublik (46 Prozent) über jenen auf das demokratische Polen (40 Prozent). Umgekehrt ist die Relation bei den Stadtbewohnern (47 Prozent zu 62 Prozent).

Ausbildung

Auch die Ausbildung spielt bei der Beurteilung der Geschichte eine wichtige Rolle: Die Hälfte der gut ausgebildeten Polen ist laut der Umfrage stolz auf die III. Republik, und nur jeder Vierte empfindet Sehnsucht nach der Volksrepublik. Mit dem kommunistischen Polen brüstet sich jedoch die Hälfte der schlechter Ausgebildeten.

Unterschiede zeigen sich auch je nach Parteienpräferenz: Die Wähler der rechtsliberalen Oppositionspartei PO (Bürgerplattform) sind laut der Befragung am häufigsten auf die Periode von 1989 bis 2005 stolz. Die Anhänger der Koalition "Linke und Demokraten" sehnen sich öfter nach dem kommunistischen Polen. Die Wählerschaft der größten Regierungspartei, der rechtskonservativen PiS (Recht und Gerechtigkeit), beurteilt die Geschichte ähnlich wie PO-Wähler, wobei der Prozentsatz jener, die auf die Zeit der Volksrepublik stolz sind, etwas höher ist.

Die Befragten wurden auch um eine Beurteilung des gegenwärtigen Polen gebeten, das von PiS-Politikern als "IV. Republik" bezeichnet wird. Hier blieben die Werte sowohl bei der Land- als auch bei der Stadtbevölkerung, der jungen und der älteren Generation, und auch unter den besser und den schlechter Ausgebildeten niedrig. Eine Ausnahme bildeten jedoch die Wähler der PiS. 53 Prozent von ihnen sind laut der Umfrage auf den Staat von Präsident Lech Kaczynski und seinem Zwillingsbruder Premier Jaroslaw Kaczynski stolz. (APA)