Zur Person

Volker Kier, ehemals Nationalratsabgeordneter des Liberalen Forums, ist Unternehmensberater in Wien.

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Immer gegen die Radfahrer (hier in Gestalt von Josef Pröll)? Was treibt Van der Bellen, Global 2000 & Co dazu, den Umweltminister als "Klimaschmähführer" abzukanzeln?

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Josef Prölls Pläne zur Schadstoffreduktion werfen Fragen auf, als Spielwiese für hämische Fundamentalkritik sind sie ungeeignet. Plädoyer für eine Diskussionskultur, die stereotype Rollenbilder überwindet.

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Kaum wurde kürzlich der Entwurf zur Klimastrategie des Umweltministeriums für die Jahre 2008 bis 2012 publik, setzte ein Wettlauf der professionellen Kritiker um die Poleposition in den Medien ein. Greenpeace zeigte sich durch die "Inhaltslosigkeit und Unverbindlichkeit" der angekündigten Maßnahmen beeindruckt; es handle sich um eine "Bankrotterklärung der Klimaschutzpolitik", welche in Österreich "zu einer Farce verkommen sei".

Die grüne Umweltsprecherin Lichtenecker hält den Entwurf für einen "Affront gegenüber allen, denen Klimaschutz wichtig ist" und steigert ihre Erregung, in dem sie anprangert: "Statt durch engagierte Maßnahmen im Inland die Treibhausgase zu reduzieren und dadurch zehntausende neue Arbeitsplätze zu schaffen, will sich Pröll einen immer größeren Anteil im Ausland freikaufen".

Damit weiß sie sich einig mit "Global 2000". Auch diese Umweltschutzorganisation diskriminiert Investitionen in internationale Umweltprojekte als Sabotage am tatsächlichen Klimaschutz. Alexander van der Bellen hingegen begnügt sich mit einer rhetorischen Frage und bringt zum Ausdruck, dass Österreich lediglich Vorreiter in der Disziplin "Klimaschmäh" sei.

Differenzieren ... Tatsächlich ist die Lage ernst. An Stelle hitziger Diskussionen gilt es nun kühlen Kopf zu bewahren; sowohl auf Seiten der Regierenden als auch ihrer Kritiker in Opposition und NGOs. Österreich hat sich 1997 im Kioto-Protokoll immerhin dazu verpflichtet, seine Emissionen an Treibhausgasen bis zum Jahr 2013 auf eine Jahresmenge von 68,7 Millionen Tonnen zu reduzieren. Statt eine schrittweise Verminderung zu erreichen, war die Jahresmenge 2005 allerdings auf rund 93 Mio. Tonnen angestiegen und lag damit rund 35,8 Prozent über dem Zielwert.

Eine Strategie, die diesen Trend umkehren und die Zielerreichung doch noch möglich machen soll, muss sich im Wesentlichen mit den Hauptverursachern der zu senkenden Emissionen befassen. Dies allerdings sehr differenziert.

Für die Industrie ist der Einsatz von Energie ein Produktionsmittel und erfolgt daher a priori unter Beachtung von Wirtschaftlichkeitskriterien. Ihr sparsamer und effizienter Einsatz entspricht daher im Regelfall dem Eigeninteresse der Unternehmen. Aus eben diesem Grund aber findet sich dort zumeist ein nur noch bescheidenes Potenzial zur Reduktion künftiger Emissionen.

Die Verursachung der Emissionen in den Bereichen Verkehr oder Heizen folgt hingegen gänzlich anderen Gesetzen. Die Menge der im Verkehr verursachten Treibhausgase ist übrigens annähernd gleich hoch wie die der Industrie, mit einer überdies deutlich steigenden Tendenz.

Damit ist das politische Dilemma aber schon angedeutet. Für die Industrie aber auch die Energiewirtschaft konnten nachvollziehbare Regulative entwickelt werden. Für diese Sektoren und nur für diese wurde das Regime des Zertifikatshandels eingeführt und ist - im Großen und Ganzen auch praktikabel. Auch nur annähernd vergleichbare Regulative stehen für den Verkehr bis dato aus.

Natürlich wäre es theoretisch möglich, etwa über Treibstoffpreise massiv einzugreifen, mit allerdings vorhersehbaren mehrfach fatalen Folgen. Einerseits käme es zu absolut unzumutbaren sozialen Verwerfungen (Pendler), andererseits wären enorme Investitionen in den öffentlichen Verkehr notwendig, die bis zuletzt unter dem Diktat der leeren Kassen ausgeblieben sind.

Bliebe noch das Heizen. Mit 16,7 Prozent zwar ein eher kleiner Mitverursacher des Problems. Hier bestünde tatsächlich eine Fülle von Möglichkeiten, die sowohl der Erreichung der Kioto-Ziele als auch der Lebensqualität der Menschen und so mancher Bausubstanz gut täte. Allerdings fehlen hier insbesondere taugliche und rasch wirkende Finanzierungsinstrumente. Vor diesem Hintergrund ist die erklärte Absicht, die Investitionen in internationale Projekte als Beitrag zur Erreichung des Einsparungsziels zu anzuheben, tatsächlich diskussionsbedürftig. Bis zuletzt sollten in der Periode 2008 bis 2012 insgesamt 35 Mio. Tonnen Einsparungsäquivalente zustande gebracht werden. Realisiert wurden davon bis dato aber erst rund 22 Mio. Tonnen, von denen allerdings ein Fünftel unter einem hohen Realisierungsrisiko steht. Gesichert erscheinen also bestenfalls knappe 18 Mio. Tonnen. Es ist mehr als mutig, das Ziel von 35 Mio. Tonnen auf 45 Mio. Tonnen anzuheben, wenn man weiß, dass schon jetzt weltweit nicht genügend taugliche Projekte zur Verfügung stehen.

... statt polemisieren Zudem ist Österreich nicht das einzige Land, das sich um diese Möglichkeiten bemüht. Es gibt also mehr als einen Grund zu befürchten, dass sich diese Ansage als schillernde Hoffnung entpuppen wird. Projekte dieser Art benötigen nämlich überdies potente Investoren, sollen nicht ausschließlich die öffentlichen Haushalte strapaziert werden. Grundsätzlich falsch ist diese Möglichkeit aber nicht und es ist auch kein "Freikauf im Ausland", dort zu investieren, wo große Senkungspotenziale erschlossen werden können.

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass den Ländern der Dritten Welt im Kioto-Protokoll keine Senkungsverpflichtungen auferlegt wurden. Ausgehend von der richtigen Überlegung, dass die wohlhabenden Industriestaaten hier in die Pflicht zunehmen sind. Diesen Aspekt einer globalen Solidarität völlig auszublenden ist ein Vorwurf, den sich die Umweltsprecherinnen der Grünen und der SPÖ, wie auch z.B. Greenpeace und Global 2000 gefallen lassen müssen.

Im weiten Feld der Notwendigkeiten, Wege zur Senkung der Emissionen zu finden und zu beschreiten darf es kein "entweder oder" sondern nur ein "sowohl als auch" geben.

Die Versäumnisse der zurückliegenden zehn Jahre werden nur schwer aufzuholen sein. In Österreich sind jetzt in den Sektoren Verkehr und Raumwärme Prioritätensetzungen überfällig. Ohne finanzielle Anstrengungen insbesondere der öffentlichen Hand wird das notwendige Tempo nicht erreichbar sein. Das erfordert politischen Mut und eine Diskussionskultur, die stereotype Rollenbilder überwindet.

Spätestens am 21.März 2007 werden wir wissen, ob aus dem jetzigen Entwurf schlussendlich ein Strategiepapier zustande gebracht wurde oder doch wieder nur ein Dokument, das "gefällig" ist. (DER STANDARD, Printausgabe 24./25.2.2007)