Im direkten Vergleich zwischen London, Hamburg und Wien ist Letztere die am wenigsten wohlhabende Region und weist demnach die wenigsten spektakulären Stadtentwicklungsprojekte auf.

Montage: derStandard.at/Putschögl
London ist der Inbegriff der modernen Trendsetter-Metropole. Für die kommenden Jahre sind Bauten geplant, die das Gesicht und die Skyline der Stadt an der Themse nachhaltig verändern werden. Den Anfang dieser Entwicklung machte Sir Norman Foster mit seinem vom Finanzdienstleister Swiss Re in Auftrag gegebenen Hochhaus. Die Londoner nennen es "The Gerkin" – auf Deutsch schlichtweg Gurke. Architekturkritiker prophezeien dem aus vielen Winkeln der Stadt wahrnehmbaren 180 Meter hohen Bau, dass er wie die St. Paul's Cathedral und die Canary Wharf die Skyline Londons für kommende Generationen mitbestimmen werde.

Die pulsierende Architekturszene ist geprägt von dynamischen Immobilienunternehmern, die jährlich zig Milliarden Euro bewegen und London zum heißesten und letztlich auch teuersten Immobilienpflaster Europas machen. Doch es gibt eine Schattenseite: Lehrer, Krankenpfleger und Streifenpolizisten sind dazu gezwungen, wochentags in ausrangierten und von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellten Doppeldeckerbussen zu nächtigen, denn für unterdurchschnittlich verdienende Menschen ist London als Wohnort unleistbar geworden, lange Anreisen wiederum sind im Alltag nicht tragbar.

"Nur noch renditeorientiertes Bauen"

Auch Peter Lorenz, österreichischer Architekt und Diva-Preisträger, äußert sich im Rahmen einer Diskussion zur Londoner Problematik mit zurückhaltender Begeisterung: "Für 60 Prozent der Bevölkerung sinkt die Lebensqualität dramatisch, weil in London nur noch renditeorientiert gebaut wird. Die Stadtentwicklung wird von privaten Investoren getrieben, nicht vom öffentlichen Interesse."

Diese Fehlentwicklung der letzten Jahre wird sich auf die Wertentwicklung der Stadt an sich, letztlich aber auch auf die renditegetriebenen Immobilieninvestoren auswirken – und zwar negativ. Wer investiert schon gerne in eine Stadt, in der man sich das Wohnen nicht mehr leisten kann und in der man vielleicht bald auch nicht mehr gerne arbeitet?

Neue Impulse im Hafen

Woran es in London nach wie vor mangelt, haben andere europäische Stadtverwaltungen längst erkannt und umgesetzt. Eines der spektakulärsten Beispiele dafür wird derzeit in Hamburg verwirklicht. Auf einer Fläche von 155 Hektar entsteht derzeit die HafenCity mit einer Nutzungsmischung aus Wohnen, Büro, Freizeit, Einzelhandel und Kultur. Was die HafenCity von ähnlichen Stadtentwicklungsprojekten unterscheidet, ist ihre Lage und ihre außergewöhnlich hohe Qualität. In etwa zwanzig Jahren wird sie die heutige Hamburger Innenstadt um 40 Prozent erweitert haben.

"Also alles paletti in Hamburg? Mitnichten!", räumt der Hamburger Oberbaudirektor Jörn Walter ein. Die Stadt hat ein massives Verkehrsproblem: Der stetig expandierende Hamburger Hafen droht die Stadt mit Lastenverkehr zu ersticken. Auch die Tatsache, dass Hamburg den Sprung zur 24-Stunden-Stadt geschafft hat, hilft da nicht weiter. Selbst wenn das Projekt rund um die HafenCity das öffentliche Interesse zeitweise ablenken kann, sind die Probleme der Kernstadt nicht gelöst.

Londoner Verhältnisse

Kürzlich fand in Wien unter dem Titel "Städteplanung 2007 – Was ist eine Mehr-Wert-Stadt?" eine Podiumsdiskussion in prominentem Rahmen statt. Die Sorgenthemen rund um London und Hamburg müssen beim Wiener Stadtrat Rudolf Schicker ebenso wie bei dessen Stadtplanungschef Kurt Puchinger wohl ein Dejà-vu ausgelöst haben. Auch wenn es im Zuge der von STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl geleiteten Diskussion dann doch etwas anders geklungen hat: "Die neu entstandenen Büro- und Wohnhäuser am Wienerberg sind auch jetzt schon gut erreichbar", hieß es da seitens der Stadt. Wem der angebotene Zubringerdienst nicht reicht, der müsse eben auf den Endausbau der U5 warten. Das sind Londoner Verhältnisse auf Wienerisch.

Damit wäre der Beweis erbracht: andere Städte, gleiche Sorgen. Im direkten Vergleich zwischen London, Hamburg und Wien ist Letztere die am wenigsten wohlhabende Region und weist demnach die wenigsten spektakulären Stadtentwicklungsprojekte auf. In puncto Lebensqualität liegt die Donaumetropole jedoch unbestritten auf Platz eins. Europas Metropolen müssen nun ihre Hausaufgaben erfüllen. Das allein wäre schon ein Mehrwert für die Stadt. (Gerhard Rodler, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.2.2007)