Ein bisschen enttäuscht sind die Amsterdamer schon: Seit Langem galt es als offenes Geheimnis, dass ihr Stadtrat Ahmed Aboutaleb bei einer Regierungsbeteiligung der Sozialdemokraten nach Den Haag übersiedeln werde. Der 45-jährige, im marokkanischen Rifgebirge geborene Politiker galt als Idealbesetzung für mehrere Ministerien. Doch es sollte "nur" ein Staatssekretariat werden. Viele seiner Fans hätten dem populären Politiker "mehr" gewünscht.

Ahmed Aboutaleb und seine in der Türkei geborene Parteikollegin Nebahat Albayrak sind die ersten Immigranten, die als Regierungsmitglieder vor Königin Beatrix den Amtseid auf die Verfassung ablegen. Ihre Ernennung hatte im Haager Parlament vergangene Woche noch für die erwarteten Schwierigkeiten gesorgt. Die Partei des islamophoben Geert Wilders hatte die Vertrauenswürdigkeit der beiden Politiker mit doppelter Staatsbürgerschaft in Zweifel gezogen und versucht, deren Ernennung zu blockieren.

Nur die scheidende Ausländerministerin Rita Verdonk hatte, wenn auch zurückhaltend, Verständnis für das Ansinnen der äußersten Rechten gezeigt. Aboutaleb selbst nahm es gelassen. Mit gut platziertem Gefühl für Pathos erklärte er, er wolle nach seinem Tode in "niederländischer Erde" bestattet werden.

Als fünfzehnjähriger war Aboutaleb seinem Vater in die Niederlande nachgereist. Er lernte im Selbststudium Niederländisch und absolvierte eine elektrotechnische Ausbildung. Nach einigen Jahren als Radiojournalist wurde er Pressesprecher im Gesundheitsministerium.

2004 wurde er Stadtrat für Soziales in Amsterdam. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt sollte er seine Feuertaufe erleben. Im November 2004, als der Filmemacher Theo van Gogh von einem Marokkaner auf offener Straße ermordet wurde, geht in der Stadt die Angst um. Einen Tag nach dem Mord ruft Ahmed Aboutaleb, der Sohn eines Imams, in einer Amsterdamer Moschee die Gläubigen zum Kampf gegen religiöse Intoleranz auf.

Mit seinem Appell an das Verantwortungsgefühl der marokkanischen Gemeinschaft und seinem demonstrativen Bekenntnis zum Recht der freien Meinungsäußerung nahm er den Aufwieglern in beiden Lagern den Wind aus den Segeln. Aboutaleb geht der Konfrontation mit dem fundamentalistischen Islam nicht aus dem Weg: Wenn Frauen sich entscheiden, eine Burka zu tragen, dann dürften sie sich nicht wundern, wenn sie keine Arbeit fänden. "Wenn es nach mir geht, bekommen Frauen mit Burka keine Sozialhilfe."

Bei Gemeinderatswahlen zwei Jahre nach dem Mord an Theo van Gogh erhielt Aboutaleb mehr als 46.000 Vorzugsstimmen, 10.000 Stimmen mehr als der sozialdemokratische Spitzenkandidat. (Barbara Hoheneder/DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2007)