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Produktiver Dialog mit Eastwood: Ken Watanabe

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

Berlin – Ken Watanabe ist der im Westen wahrscheinlich bekannteste japanische Schauspieler. Er hat Tom Cruise in "Der letzte Samurai" mit dem Ethos der alten Kriegerkaste vertraut gemacht, in der pan-asiatisch besetzten Schnulze "Memoirs of a Geisha" war er auch dabei, und viele Fans können sich sogar noch an "Tampopo" erinnern, Juzo Itamis Programmkinohit über die perfekte Nudelsuppe aus den Achtzigerjahren.

Als "Letters from Iwo Jima" bei der Berlinale präsentiert wurde, sprach Ken Watanabe als einziger der japanischen Stars Englisch. Er tritt auf wie ein Botschafter, ein Vermittler zwischen zwei Welten, die Clint Eastwood mit seinem Doppelprojekt zusammenzubringen versucht.

Watanabe sagt "Quint", wenn er von Eastwood spricht. Er ist voll des Respekts für seinen amerikanischen Regisseur, der sich eines Themas annahm, das in Japan nur von Zeit zu Zeit noch Beachtung findet – immer dann nämlich, wenn ein hochrangiger Politiker zu dem Yasukuni-Schrein geht, an dem die Nation ihrer toten Soldaten gedenkt.

"Es gibt eine wichtige Eigenschaft der Japaner", relativiert Ken Watanabe die Kontroversen, die dann regelmäßig wieder entflammen. "Sie möchten die Vergangenheit vergessen und nur nach vorn schauen. Sie wollten nach dem Krieg vor allem die Gesellschaft wieder aufbauen, das ist auch gelungen. Heute ändern sich die Gefühle und Meinungen ein wenig, sie wollen wieder lernen und über die Geschichte nachdenken." Gibt es dabei Tabus, oder hat auch Japan eine Vergangenheitsbewältigung durchlaufen, ähnlich wie Deutschland?

"Die meisten Überlebenden wollten nicht sprechen. Wir hatten Schwierigkeiten nach dem Krieg, Beziehungen zu den asiatischen Nachbarn aufzubauen. In Korea und China war ständig vom Krieg die Rede, und damit auch von Vorwürfen an unsere Nation. Dadurch haben wir dieses Thema satt gehabt. Mit dem Film Letters from Iwo Jima ist es so, dass nun erstmals ein amerikanisches Publikum sich mit japanischen Soldaten identifizieren kann, dass also eine Nation, die im Krieg unser Gegner war, uns nicht nur als reines Feindbild sieht. Das wird vielleicht auch für unsere asiatischen Nachbarn relevant."

Taktik und Tradition

Der General Kuribayashi, den Ken Watanabe spielt, ist aufgeschlossen für die Moderne, auch für moderne Taktik, zugleich bleibt er aber seiner traditionellen Rolle verhaftet. Wie sehr ist diese Figur an dem historischen Vorbild orientiert? "Ich habe seine Heimat besucht, seine Vorfahren waren Mittelklasse-Samurai. In seiner Familie ging es aber vor allem praktische Fragen: Wie bekommen wir genug zu essen? Er war ein sehr neugieriger Mensch. Es gibt viele Aufzeichnungen von ihm, er hat sich für Wissenschaft interessiert, in den USA und Kanada studiert. Er war sehr rational, und versteckte seine Gefühle – also ein typischer Japaner, und zugleich auch wieder nicht."

Das zentrale Thema in Letters from Iwo Jima ist die Ehre, das Ethos der Gefolgschaft bis in den Tod, auch dann noch, wenn daraus reine Destruktivität wird. Ken Watanabe erzählt zu diesem Thema eine Geschichte, die viel über den Regisseur Clint Eastwood aussagt. "General Kuribayashi sollte eigentlich laut Drehbuch Seppuku begehen, rituellen Selbstmord, wie er bei einer Niederlage üblich ist. Mir gefiel das nicht, es schien mir nicht so zur Figur zu passen, denn er hatte seine Soldaten immer dazu ermuntert, bis zum letzten Moment zu kämpfen. Ich dachte mir: Es wäre viel plausibler, wenn dieser Konflikt noch seinen Tod prägen würde. Dadurch wurde die Figur vielschichtiger, und Clint Eastwood fand meine Einwände überzeugend."

Watanabe: "'Quint' hat sich sehr bemüht, die japanische Kultur zu verstehen. Manchmal hatte er Schwierigkeiten, vor allem die Sache mit den Selbstmorden der Soldaten und Offiziere. Aber ich muss sagen, dass ich das selbst nicht immer verstehe. Wie der Film jetzt aussieht, haben wir dafür aber gemeinsam eine gute Lösung gefunden." (Bert Rebhandl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.2.2007)