Wien/Berlin - Im Atomstreit mit dem Westen hat der Iran eine Frist der Staatengemeinschaft ohne Entgegenkommen verstreichen lassen und riskiert damit neue Sanktionen. Die Islamische Republik habe ihre Uran-Anreicherung nicht wie gefordert bis zum Mittwoch ausgesetzt, stellte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO/IAEA) am Donnerstag in ihrem mit Spannung erwarteten Bericht fest. Stattdessen seien die umstrittenen Aktivitäten sogar ausgeweitet worden. Für eine Aussetzung der Urananreicherung gebe es keine rechtliche Grundlage, sagte hingegen der Vizechef der iranischen Atombehörde.

Wie es in dem vertraulichen sechsseitigen IAEA-Dokument heißt, hat der Iran mit der Installation der ersten von 3.000 geplanten Zentrifugen im Kraftwerk Natanz (Natans) begonnen. Damit arbeitet das Land an den Grundlagen für eine Urananreicherung auf industrieller Ebene. Uran kann bei hohem Anreicherungsgrad auch für den Bau von Atombomben verwendet werden. Der Westen verdächtigt den Iran, dies anzustreben. Die Führung in Teheran weist diese Vorwürfe zurück und beruft sich stattdessen auf ihr Recht zur zivilen Nutzung der Atomenergie.

Inakzeptabel

Diese Tonart schlug der Iran auch am Donnerstag wieder an: Eine Aussetzung der Urananreicherungsaktivitäten sei inakzeptabel, denn die Forderung verstoße gegen internationale Verträge, sagte Mohammed Saidi von der iranischen Atomenergiebehörde. Der IAEA-Bericht zeige nicht nur, dass die Islamische Republik friedliche Absichten habe. Er mache auch deutlich, dass die Rückkehr zu Gesprächen das beste Mittel sei, um den Atomstreit zu lösen. Zudem gehe aus dem Dokument eindeutig hervor, dass der Iran die UNO über die Installation neuer Zentrifugen in Kenntnis gesetzt habe. Diese sollen Saidis Angaben zufolge bis Mai betriebsbereit sein.

Der Iran müsse die IAEO in die Lage versetzen, "durch maximale Zusammenarbeit und Transparenz" die Geschichte des 18 Jahre lang geheim gehaltenen Atomprogramms zu rekonstruieren, fordert IAEO-Chef Mohammed ElBaradei in dem Bericht, der der APA vorliegt. "Ohne diese Zusammenarbeit und Transparenz wird die Behörde (IAEO, Anm.) nicht in der Lage sein zuzusichern, dass es kein nicht deklariertes Nuklearmaterial und nicht deklarierte nukleare Aktivitäten im Iran gibt oder dass der Charakter dieses Programms ausschließlich friedlichen Zwecken dient", heißt es weiter.

Die internationale Gemeinschaft hatte Teheran am Donnerstag noch einmal massiv gedrängt, seine umstrittene Atompolitik aufzugeben und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Nach Bekanntwerden des Berichts forderte Frankreich im Atomstreit mit dem Iran eine neue UN- Resolution. "Wir wollen eine zweite UN-Resolution, um weiterhin mit Sanktionen drohen zu können", sagte der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy vor Journalisten.

Der UN-Sicherheitsrat hatte am 23. Dezember nach dem Ablauf eines ersten Ultimatums erste Sanktionen verhängt und eine 60-Tage-Frist für den Stopp der iranischen Uran-Anreicherung gesetzt. Unter den bereits verhängten Sanktionen ist es unter anderem verboten, dem Iran Technik oder Informationen für sein Atom- und Raketenprogramm zu liefern. Die Strafmaßnahmen könnten nun verlängert werden. Möglich ist auch die Verhängung neuer Sanktionen.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat den angeforderten Bericht zum iranischen Atomprogramm erst einige Stunden nach der Veröffentlichung im Internet erhalten. Der amtierende Ratsvorsitzende Peter Burian (Slowakei) sagte am Donnerstag in New York, die IAEO habe sich für die Verzögerung entschuldigt und technische Gründe geltend gemacht. Wann das oberste UN-Gremium sich mit dem Bericht befasst, ist noch offen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich bereits Stunden vor der Vorlage des Berichts "tief besorgt", dass der Iran den Forderungen der Vereinten Nationen nicht nachgekommen sei. US-Außenministerin Condoleezza Rice sagte nach einem Treffen mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Russlands Ressortchef Sergej Lawrow und dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana in Berlin, man sei sich darin einig, auch den UN-Sicherheitsrat zu nutzen, um den Iran doch noch zum Einlenken zu bewegen. "Die Hoffnung ist, dass den Iranern durch Sanktionen klar wird, dass die Isolation weiter zunehmen wird, und es Zeit ist, einen anderen Kurs einzuschlagen", sagte Rice.

Steinmeier bekräftigte die Forderungen der internationalen Gemeinschaft an die Regierung in Teheran ebenso wie die Bereitschaft zu neuen Gesprächen, wenn der Iran Entgegenkommen zeige. Lawrow bezeichnete neue Gespräche als Ziel. Auch Ban sagte in Wien, der Iran sei aufgefordert, Verhandlungen aufzunehmen, damit der Konflikt friedlich beigelegt werden könne. Auch die britische Außenministerin Margaret Beckett sprach sich nach der Vorlage des IAEA-Berichts für eine Verhandlungslösung aus. Ziel müsse es sein, den Iran zunächst weiter international zu isolieren und so den Druck zu erhöhen. (APA/Reuters/dpa/AP)