An die 300 Menschen waren am Donnerstag Morgen dem Aufruf der Gewerkschaft für Privatangestellte (GPA) gefolgt und versammelten sich vor der Zentrale des Textil-Diskonters KiK in Wien, um für mehr Rechte der Beschäftigten zu demonstrieren.

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Grund für die Kundgebung sind die Produktions- und Arbeitsbedingungen bei KiK. Zum Eklat kommt es bereits in der Vorwoche, als Andreas Fillei, Spitzenkandidat für die Betriebsratswahl, zwei Tage nach der Ausschreibung zur Wahl fristlos und ohne Angabe von Gründen entlassen und gleichzeitig mit einem Hausverbot für alle KiK-Filialen belegt wird. Der Fall liegt zur Zeit beim Arbeitsgericht.

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Die Soldarität für den Kärntner Filialleiter ist groß.

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Aber auch die Betroffenheit. "Brutalität pur" nennt es der Betriebsrats-Vorsitzende von ratiopharm, Werner Belotzky. "Was bei KiK passiert, spottet jeglicher Beschreibung. Hier wird mit hinterwäldlerischen kapitalistischen Methoden gearbeitet."

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In erster Linie wolle man durch die Protest-Veranstaltung natürlich um die Wiedereinstellung von Fillei kämpfen, es gehe aber ganz allgemein auch um die Etablierung geregelter Verhältnisse bei KiK. Fritz Sengeis von der GPA: "ArbeitnehmerInnen-Interessen müssen vertreten werden dürfen. Geleistete Überstunden werden zum Teil weder bezahlt noch in Freizeit abgegolten. Sie dürfen kein Geschenk an die Firma werden."

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Friedrich Hagl, Regionalvorsitzender der GPA-DJP der Region Wien und Betriebsrat bei Siemens: "Wenn Menschen angehalten werden, unbezahlt zu arbeiten, bedeutet das Steuer- und Sozialversicherungs-Abgabenhinterziehung." Gleichzeitig kündigt er an, die KiK-Filialen in Wien auf die Einhaltung der Gewerbeordnung prüfen zu lassen.

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Frauenministerin Doris Bures lässt durch GPA-DJP Bundesfrauensekretärin Barbara Teiber (Bild) ihre Unterstützung ausrichten. "In meiner Funktion als Frauenministerin erkläre ich mich mit den MitarbeiterInnen des Unternehmens solidarisch und appelliere an die Unternehmensführung, demokratisch legitimierte Betriebsratswahlen zuzulassen und die fristlose Kündigung des Spitzenkandidaten für die Betriebsratswahl, Andreas Fillei, wieder aufzuheben. Ich hoffe, dass die Protestaktion für die MitarbeiterInnen des Unternehmens KiK ihre Wirkung zeigt."

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Vorausgegangen war der Veranstaltung eine österreichweite Protest-Mailaktion, die bis heute rund 6000 Personen unterstützten.

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Georg Grundei, Projektleiter von Anki(c)k erläutert die Stimmung unter den KiK-MitarbeiterInnen: Eine Fragebogenaktion habe ergeben, dass sich 98 Prozent einen Betriebsrat wünschen würden. 85 Prozent bekämen die Vor- und Abschlussarbeiten nicht bezahlt und 60 Prozent beklagen, dass ihre Wochenstunden willkürlich hinauf- und hinuntergesetzt würden. Es gibt Standorte, wo Toilette-Anlagen fehlen. Die Beschäftigten müssen bei Bedarf Nachbar-Filialen aufsuchen.

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Mitunter stünden KollegInnen bis spät in der Nacht alleine im Geschäft. Ihre Aufgabe: Bewachung, Betreuung der Filiale und Verkauf. Nicht ungefährlich, wie Grundei meint.

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Bereits im Herbst 2005 wird ein Wahlvorstand eingesetzt und mit der Ausschreibung der Betriebsratswahl beauftragt. Der Wahlvorstand hat den gesetzlichen Auftrag, innerhalb von drei Tagen die Betriebsratswahl einzuleiten. Dieser Auftrag wird bei KiK nicht durchgeführt.

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Seit Herbst 2006 läuft eine Kampagne zu Partnerschaften bzw. Patenschaften: Erfahrene BetriebsrätInnen aus den verschiedensten Branchen - z.B. aus der Industrie oder dem Finanzsektor - betreuen Handelsangestellte, die keinen Betriebsrat haben. Sie besuchen die Filialen der Textilkette und versorgen die MitarbeiterInnen monatlich mit Info-Material und klären sie über ihre Rechte auf.

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Ende Jänner wird ein neuer Anlauf zur Betriebsratswahl unternommen - mit den bekannten Folgen. Grundei: "Wie ein schlechter Mafia-Film." Andreas Fillei wird nach Wien geholt, soll in eine andere Filale versetzt werden, doch das Auto biegt "falsch" ab, bringt ihn hier her, wo er die "Fristlose" erhält. "Es kann nicht sein, dass ArbeitnehmerInnenrechte mit Füßen getreten werden."

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Während die Zahl der Protest-Teilnehmer zusehends wächst, bleibt jede Reaktion aus der Zentrale aus. Auf den ersten Blick jedenfalls.

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Denn im dritten Stock des grauen Gebäudes ragt - hinter vorgezogenem Vorhang - eine Hand mit einem - mutmaßlichen - Aufnahmegerät durch das spaltbreit geöffnete Fenster.

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Für GPA-Vorsitzenden Wolfgang Katzian nur ein Grund zum Schmunzeln: "Wir haben nichts zu verbergen. Wer offensichtlich etwas zu verbergen hat, ist das Unternehmen KiK, sonst würde man nicht mit aller Gewalt versuchen, eine Betriebsratswahl zu verhindern." Lautes Zustimmen, Applaus, Trillerpfeifen. Katzian weiter: "Was wir hier in den letzten Tagen und Wochen erlebt haben, sprengt bei vielen die Vorstellungskraft, was im Jahr 2007 in Zusammenhang mit betrieblicher Demokratie so alles möglich ist." Gemeint ist unter anderem ein Schreiben von KiK an seine Beschäftigten, das besagt,...

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... das Gericht habe Versammlungen von Gewerkschaften verboten. Ein Einschüchterungsversuch? "Wir leben in einem Land mit Versammlungsfreiheit. Demokratie braucht freie Gewerkschaften wie einen Bissen Brot, wie die Luft zum Atmen. Wir werden uns diese Grundsätze nicht von irgendwelchen Leuten durch den Dreck ziehen lassen", so Katzian weiter. "Es geht hier nicht um ein Privatmatch gegen KiK, sondern auch um ein Stück Kultur, genauer gesagt, wie mit Menschen umgegangen wird."

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Katzian: "Wenige Tage nach dem 12. Februar, als wir uns auch an andere Ereignisse in dieser Republik erinnert haben, sollten wir an den Kampf unserer Vorfahren um die Rechte der ArbeitnehmerInnen denken. Wer im Jahr 2007 mit solchen Methoden wie KiK vorgeht, stellt auch die Geschichte der Arbeitsbeziehungen der Zweiten Reublik in Österreich in Frage."

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Unterstützung kommt auch aus Deutschland. Die Gewerkschaft verdi bereitet laut Katzian bereits konkrete Aktionen im Zusammenhang mit KiK vor. "Ein Zeichen, dass es hier nicht um einen lokalen Konflikt geht, sondern um eine grenzüberschreitende Vernetzung." Beifall, das Publikum stimmt die "Internationale" an.

Katzian will Probleme im Handel jedoch nicht nur an einem Unternehmen festgemacht wissen und nennt als Stichworte Konzentrationstendenzen, den brutalen Verdrängungswettbewerb sowie Preis- und Rabattschlachten.

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"In vielen Unternehmen findet der Wettbewerb voll auf dem Rücken der Beschäftigten statt. Ein Betriebsrat ist Voraussetzung für die Gestaltung einer Arbeitsbeziehung auf Augenhöhe. Wer den Dialog mit uns ablehnt, hat in uns auch keinen Partner in der Diskussion um die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten."

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Andreas Fillei selbst nimmt an der Kundgebung nicht teil, bedankt sich aber für die Solidariät in schriftlicher Form: "... Innerlich zerreißt es mich in den letzten Tagen fast. Wut, dass so etwas 2007 passieren kann, Angst, was die Zukunft für mich und meine Familie bringen wird. Was für eine Angst müssen erst meine KollegInnen bei KiK haben, etwas Falsches zu sagen - ein Wort, ein Satz? Kann man es zulassen, heute noch Angst vor der Demokratie zu haben? ... Danke für eure Stimme für die demokratischen Grundrechte von Angestellten, danke für eure Solidarität. ...

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...Sie soll nicht nur mir, sondern all den MitarbeiterInnen gelten, die in den letzten Jahren mit ihrer Arbeit diese Firma zu großen Erfolgen geführt haben. Arbeit, die die Geschäftsführung mit ihrer Entscheidung in kürzester Zeit negativ beeinflusst hat. Mit all eurer Unterstützung ... können wir die Herausforderung annehmen, diesen Scherbenhaufen zu reparieren."

Fillei will weiterhin als Betriebsrat kandidieren.

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Die KiK Textilien und Non-Food GmbH wurde 1994 von Stefan Heinig und der Tengelmann Unternehmensgruppe (Plus, Obi) gegründet. Heute betreibt KiK über 2.200 Filialen in Deutschland und Österreich. (Sigrid Schamall)

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