Foto: Standard/Andy Urban
Brüssel - Die 27 EU-Staaten wollen die Bürokratie in Europa massiv beschneiden. Die zuständigen Fachminister stimmten am Montag in Brüssel einem Vorschlag von EU-Industriekommissar Günter Verheugen zu, der beispielsweise Berichtspflichten für rein statistische Zwecke bis 2012 um ein Viertel abbauen will. Der Beschluss ist Teil der Empfehlungen des Ministerrats für den EU-Gipfel am 8. und 9. März in Brüssel, wo der Bürokratieabbau neben der Klima- und Energiepolitik ein zentrales Thema werden soll.

Milliarden-Entlastung

Zustimmung erhielt Verheugen für seinen Plan, Verwaltungsauflagen und Umsetzungsbestimmungen zum EU-Recht um ein Viertel zu verringern. Das soll die Wirtschaft um Kosten in Milliardenhöhe entlasten. Die Mitgliedstaaten sollen außerdem bis 2008 eigene Pläne erstellen, wie auch aus nationalen Gesetzen entstandene Bürokratie verringert werden könne, sagte der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos für die EU-Ratspräsidentschaft. "Das ist ein großer, wichtiger Fortschritt", erklärte Verheugen.

Der österreichische Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) betonte, dass Österreich die Verwaltungskosten bereits bis 2010 um 25 Prozent reduzieren will. Das würde eine Reduktion des Verwaltungsaufwandes um zwei Mrd. Euro bedeuten, wobei Nutznießer vor allem die private Wirtschaft sein solle. Das Ziel sei sowohl in der EU als auch in Österreich "sehr ambitioniert". Analysen besagten, dass die Reduktion der Verwaltungskosten um 25 Prozent bis 2012 (gemessen an 2004) ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent bringen wird.

Sofortprogramm

Verheugen verspricht ein Sofortprogramm, das die Unternehmen jedes Jahr um 1,3 Mrd. Euro entlasten soll. Insgesamt soll die Initiative die Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten bis 2012 um 150 Mrd. Euro steigern. So müssten Landwirte weniger Zahlen für Statistiken melden und Transportunternehmer weniger Zollunterlagen ausfüllen. Für kleinere Betriebe wie Bäckereien oder Imbisse sollen Hygienevorschriften wegfallen. Angesichts des harten Wettbewerbs beklagen europäische Firmen, dass Staaten wie China oder Indien auch wegen weniger Vorschriften kostengünstig produzieren können.

"Wenn wir Wachstum und Beschäftigung erzeugen wollen, dann ist das ein Erfolg versprechender Weg und wir sollten ihn gehen", sagte Verheugen. Dabei gehe es aber nicht um den Abbau von Sozial-, Umwelt- oder Verbraucherschutzstandards oder von Rechten der Mitgliedstaaten. Es gehe auch nicht um neoliberale Deregulierung: Verheugen betonte: "Nichts liegt mir ferner als das." Das Thema der besseren Rechtsetzung in der EU sei unter österreichischer Ratspräsidentschaft im April 2006 in St. Pölten noch eine Idee gewesen, sagte Verheugen. "Und inzwischen haben wir den Ratsbeschluss."

Vorbehalte

Vor allem einige kleinere Mitgliedstaaten äußerten aber Vorbehalte. "Jedes Land sollte seinen eigenen Ansatz entwickeln dürfen", sagte der irische Ressortchef Michael Martin. Das so genannte Standardkostenmodell zur Kostenberechnung könne die kleineren Länder überfordern. "Es wird nicht darum gehen, einzelnen Mitgliedstaaten vorzuschreiben, was sie zu tun haben", betonte Verheugen. Das 25 Prozent-Ziel sei eine "politische Richtmarke", an der sich auch die Mitgliedstaaten für den Abbau überflüssiger Verwaltungslasten orientieren sollten.

Kritik gab es von Bartenstein unterdessen an der Autoindustrie. Diese habe durch die Nichterfüllung des Ende der 90er Jahre eingegangenen Versprechens zur Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes auf 140 Gramm pro Kilometer bis 2008 dem Thema Selbstverpflichtung keinen guten Dienst erwiesen. Die Diskussion über die Vorschläge der EU-Kommission, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken, sei von der Debatte über den künftigen CO2-Ausstoß überschattet worden. (APA/dpa)