Martin F. ist seit zwei Jahren mit einer Türkin verheiratet. Auch das strengere Fremdenrecht würde ihn heute nicht davon abhalten, eine Scheinehe einzugehen, sagt er

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Martin F. hat vor zwei Jahren eine Türkin geheiratet, um ihr einen geregelten Aufenthalt zu ermöglichen. Im Gespräch mit Maria Sterkl erzählt er, warum - wenn nicht für Geld - er das getan hat, und erklärt die Scheinehe zu einem Mittel zur Integrationsförderung.

derStandard.at: Herr F., wie lernten Sie Ihre Frau kennen?

Martin F.: Über gemeinsame Freunde. Der Gedanke einer Scheinehe war mir zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht fremd gewesen, ich hatte aber nie Gelegenheit dazu. Dann hat mir eine Freundin die Geschichte meiner Frau erzählt. Sie hat ein Treffen engagiert, und ein halbes Jahr später haben wir geheiratet.

derStandard.at: Was war die Geschichte Ihrer Frau?

Martin F.: Sie ist aus der Türkei nach Österreich gekommen, um hier zu studieren, aber auch, weil sie dort politisch engagiert war und es nicht ganz leicht für sie war. Sie war zwar legal hier, brauchte aber die Hochzeit, um auch legal hier arbeiten zu können. Man muss sich das einmal vorstellen: Sie hat sieben Jahre hier gewohnt und durfte nicht arbeiten, und zusätzlich musste sie als Türkin ja die doppelten Studiengebühren zahlen.

derStandard.at: Haben Sie für Geld geheiratet?

Martin F.: Nein.

derStandard.at: Warum haben Sie es dann gemacht?

Martin F.: Weil ich es unerträglich finde, ohnmächtig mit ansehen zu müssen, wie die Welt da draußen immer fremdenfeindlicher wird. Man kann demonstrieren, aber das ändert nichts. Eine Heirat ist ein einfaches Mittel, dieses System auszuhebeln.

derStandard.at: Wie waren die Reaktionen im Bekanntenkreis?

Martin F.: Begeisterung, eigentlich. Die einzige Skepsis kam von meinen Eltern, die sich um mich sorgten. Mein Vater war aber dann bei der Hochzeit, und es war einfach ein nettes Fest – das hat die Skepsis dann gemindert.

derStandard.at: Welche Einstellung haben Sie Ehe und Heirat gegenüber?

Martin F.: Ich bin überzeugter Atheist, eine kirchliche Heirat kommt also sowieso nicht in Frage. Und ansonsten glaube ich, dass eine Ehe nicht viel über die Intensität einer Beziehung aussagt.

derStandard.at: Und Ihre Frau?

Martin F.: Arge Skrupel zu heiraten hatte sie nicht. Sie verbindet aber mit Ehe vielleicht ein bisschen mehr als ich – zum Beispiel war es ihr wichtiger, auch ein Fest zu veranstalten.

derStandard.at: Wie gehen Sie mit der Angst vor Kontrollen um?

Martin F.: Wir wissen das Wichtigste voneinander, das nimmt die Angst – zumal das Damoklesschwert bei meiner Frau schon etwas tiefer hängt als bei mir.

derStandard.at: Wie oft haben Sie Kontakt miteinander?

Martin F.: Im Schnitt zwei Mal im Monat. Sie lädt mich ab und zu ins Theater ein oder wir gehen Essen.

derStandard.at: Werden Sie sich scheiden lassen, sobald Ihre Frau österreichische Staatsbürgerin ist?

Martin F.: Ja, das wird das zweite Fest (lacht).

derStandard.at: Lebt Ihre Frau in einer Beziehung?

Martin F.: Nein. Für sie ist das auch um einiges schwerer als für mich, weil sie meinen Nachnamen trägt. Ihre Arbeitskollegen fragen auch oft nach mir.

derStandard.at: Hat Ihre Frau der Familie in der Türkei erzählt, dass sie zum Schein verheiratet ist?

Martin F.: Sie wollte es verheimlichen, ihr Vater kam aber dahinter, weil er meinen Namen im Pass sah. Er war darüber nicht glücklich, ihre Mutter hat da schon mehr Verständnis.

derStandard.at: Hatten Sie jemals Angst, Ihre Frau könnte die Situation ausnützen – in Form einer Unterhaltsklage zum Beispiel?

Martin F.: Nein, nie. Ich hätte das ja nie gemacht, wenn ich ihr nicht vertraut hätte. Sie fühlt sich mir gegenüber aber oft schuldig.

derStandard.at: Hatten Sie jemals finanzielle Nachteile aufgrund der Heirat?

Martin F.: Ja, ich konnte deswegen keine Notstandshilfe beziehen, weil wir gemeinsam zu viel verdienen. Wir müssen aber gerade so viel verdienen, weil meine Frau sonst kein Visum bekommt. Andererseits war ich auch schon Nutznießer. Ich habe immer in freien Dienstverhältnissen gearbeitet und konnte mich bei meiner Frau mitversichern lassen.

derStandard.at: Kann Ihre Frau nun unbegrenzt im Land bleiben?

Martin F.: Nein. Sie muss das Visum immer wieder neu beantragen. Das ist jedes Mal ein großes Zittern. Dabei ist sie schon jahrelang hier, trägt zur Kultur des Landes mehr bei als die meisten Österreicher. Jedes Mal muss sie sich damit auseinandersetzen, dass sie hier eigentlich unerwünscht ist.

derStandard.at: Viele binationale Paare üben Kritik an der derzeitigen Gesetzeslage, die ja unter anderem deshalb verschärft wurde, weil man von einem "grassierenden Scheinehe-Problem" sprach. Sehen Sie ein solches Problem?

Martin F.: Nein. Das einzige Problem, das ich sehe, sind populistische Politiker, die gemeinsam mit gleichgeschalteten Massenmedien eine vollkommen unbegründete Angst vor dem Fremden schüren.

derStandard.at: Die Gesetze sind heute strenger als zum Zeitpunkt Ihrer Eheschließung. Würden Sie heute trotzdem heiraten?

Martin F.: Ja, auf jeden Fall.

derStandard.at: Haben Sie Verständnis dafür, dass der Staat Scheinehen unterbinden will, um die Einwanderung in Schranken zu halten?

Martin F.: Nein. Wenn zwei Leute eine Heirat planen, sei es aus Liebe, sei es aus Freundschaft oder aus gesundem Menschenverstand heraus, dann sollen sie es doch machen. Das machen doch viele Österreicher auch nicht anders – zu heiraten, um die Vorteile zu genießen, die zwei Ehepartnern zustehen. Es gibt tausend Gründe für eine Ehe. Warum soll genau dieser eine Grund schlecht sein?

derStandard.at: Manche sagen: Wenn das alle machen, kommt eine große Zahl von Ausländern ins Land.

Martin F.: Es heißt immer "die Ausländer" – dabei kommen die doch aus hundert verschiedenen Kulturen. Und immer wird gejammert, dass sie sich nicht integrieren. Aber wenn man genau jenen Leuten das Leben schwer macht, die über eine Ehe mit einem Österreicher schon einmal ein Seil zwischen den Kulturen gespannt haben, dann ist das doch absurd. Wenn es eine Möglichkeit gibt, diese Integration zu schaffen, dann ist eine Scheinehe doch sicher kein schlechtes Mittel dafür.

derStandard.at: Gilt das auch für jene, die Geld dafür kassieren und sich ansonsten nicht um den Ehepartner kümmern?

Martin F.: Nein. Aber das ist ja eine kleine Minderheit. Und wegen ein paar Fällen einer großen Zahl echter Paare das Leben zur Hölle zu machen, ist doch nicht gerade der beste Weg – vor allem in Zeiten einer derartigen demografischen Kurve.

derStandard.at: Welche demografische Kurve?

Martin F.: Naja, einerseits jammert die Gesellschaft um Nachwuchs, andererseits macht man jenen Paaren, die sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen wollen, das Leben schwer. Man kann keine Zukunft planen, wenn man jedes Jahr um den Aufenthalt zittern muss. (derStandard.at, 27.2.2007)