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Denkt "Amerikas Bürgermeister" daran, was ihm im Wahlmkampf bevorsteht? Rudy Giuliani bei einer Veranstaltung in Kalifornien

Foto: AP Photo/Gary Kazanjian)

Schon einmal hat Rudolph Giuliani gezeigt, wie man es schafft, binnen kürzester Zeit vom Auslaufmodell zum Helden zu werden.

Am 11. September 2001 neigte sich seine Laufbahn dem Ende zu, er war abgeschrieben, nach fast acht Jahren im Amt ein Bürgermeister auf Abruf, eine "lahme Ente", die launisch und herrisch sein konnte. Dann krachten zwei entführte Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers, und inmitten der Schuttberge Manhattans avancierte Giuliani zum bewunderten Krisenmanager. Zornig und mitfühlend, entschlossen und beruhigend übernahm er es, seinen schockierten Landsleuten Moral einzuimpfen. Da war er "Rudy the Rock", der Fels in der Brandung.

Chancen gegen Hillary

Nun schickt er sich an, in den Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2008 zu ziehen, ein Rennen, das viel früher als üblich begann. Käme es auf der Zielgeraden zum Duell mit Hillary Rodham Clinton, der führenden Bewerberin im Feld der Demokraten, hätte Giuliani von allen Republikanern die besten Chancen, ihr Paroli zu bieten. Würde heute gewählt, läge der "Bürgermeister Amerikas", wie sie ihn immer noch nennen, mit hauchdünnem Vorsprung vor der früheren First Lady.

Dass der Nachfahre italienischer Immigranten ein hochkarätiges Zugpferd ist, steht außer Zweifel. Sein Problem besteht eher darin, die gnadenlose Schlammschlacht in den eigenen Reihen zu überstehen. Dem rechten, markant religiös geprägten Flügel der Republikaner ist er schlicht zu liberal. "Mit Rudy verhält es sich wie mit dem Potomac", mäkelt Tony Perkins, Chef des Family Research Council, eine führende Stimme der Rechten. "Fährt man nachts über den Fluss, sieht er wunderschön aus. Nähert man sich bei Tageslicht, möchte man gewiss keinen Fisch daraus essen. Er ist verschmutzt, steckt voller Probleme."

Dabei ist Giuliani in vielem konservativer, als es etwa ein Kandidat der britischen Tories wäre. Im New Yorker Rathaus setzte er resolut auf Law & Order, senkte Steuern, strich Sozialleistungen. Doch er befürwortet eben auch die Abtreibung und lehnt unbeschränkten Waffenbesitz ab, beides Positionen, die ihm der harte Kern seiner Partei übel nimmt. Obendrein hat er nichts dagegen, dass Homosexuelle zivile Partnerschaften eingehen – wofür ihn die Evangelikalen, eine starke Stütze Bushs, als Feind der Familie verdammen. Hinzu kommt ein Privatleben, das turbulenter ist, als es der konservativen Provinz gefallen kann.

Der 62-Jährige ist zum dritten Mal verheiratet, was Tugendwächtern an sich schon sauer aufstößt. Noch schwerer liegt ihnen im Magen, wie hemmungslos der Grande und seine zweite Gemahlin, die Schauspielerin und Moderatorin Donna Hanover, schmutzige Wäsche wuschen, als sie sich trennten. Von der Ex-Frau aus der Wohnung geworfen, kam Giuliani bei einem schwulen Freundespaar unter, ehe er mit seiner Geliebten Judith Nathan eine gemeinsame Bleibe bezog.

Schrille Details

Ob Donna Hanover ein zweites Mal zu plaudern anfängt? Ob sie den Scheidungskrieg mit all seinen schrillen Details noch einmal Revue passieren lässt? Das ist es wohl, was die Helfer des 9/11-Helden befürchten. So haben sie es in ein Dossier geschrieben, das Giulianis Wahlchancen nüchtern abwägt und prompt an die Presse durchsickerte.

Trotz aller Fallstricke – allzu wählerisch können die Republikaner nicht sein, dazu ist ihre Personaldecke einfach zu dünn. John McCain und Mitt Romney, die beiden konservativen Kandidaten, die momentan auf den Plätzen zwei und drei liegen, scheinen zu schwach, um gegen das illustre Aufgebot der Demokraten bestehen zu können. Das Handicap McCains besteht darin, dass er Bushs unpopuläre Irakpolitik vehement, fast trotzig unterstützt. Romney wiederum muss als Mormone gegen Mauern des Misstrauens anrennen. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, Printausgabe, 19.02.2007)