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Foto:Carsten Rehder dpa/lno/lni
Happiness-Kurse als ein Rettungsanker beim Studieren neben dem Job, bei Doppelbelastungen und bei ansteckender Unzufriedensein der Umgebung.

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Durch das Auditorium klingt Wohlfühlmusik, auf der Leinwand leuchten die Leitworte "hedonistische Tretmühle" auf. "Freude alleine reicht nicht aus", doziert der Professor, "wirkliches Glücklichsein braucht einen Grund." Die Studenten vor ihm auf den Bänken saugen jedes einzelne Wort auf. Viele von ihnen sind schon verheiratet und berufstätig, die Doppelbelastung macht ihnen zu schaffen. Ihre Hausaufgabe heute: sich durch den japanischen Kinofilm After Life inspirieren zu lassen und es den darin vorkommenden Charakteren gleichzutun: "Wählt eine Erinnerung aus eurem Leben, einen Moment, von dem ihr euch wünscht, er möge verweilen, für immer und ewig!"

Autosuggestion

Wohlfühlen durch Autosuggestion, im Fachjargon "Positive Psychology" genannt, ist der neue Trend an den US-Hochschulen. Landesweit gibt es bereits 200 Kurse, die sich ausschließlich mit den Ingredienzien des Glücks wie Selbstachtung, Einfühlungsvermögen, Freundschaft, Liebe, Spiritualität und Humor befassen. Selbst die Eliteuniversität Harvard ist auf den Zug aufgesprungen. An dem "Happiness-Seminar" von Tal Ben-Shahar nahmen im vergangenen Semester 855 Studenten teil - kein anderer Kurs war populärer. Professor Ben-Shahar, der von sich sagt, dass er trotz Erfolgen (israelischer Squash-Meister, Harvard-Dozent, glücklich verheiratet) selbst lange Jahre nicht glücklich war, weiß, dass er den Nerv seiner Studenten trifft. "Vielen wächst der permanente Notenstress und Erfolgsdruck über den Kopf", meint er, "meine Aufgabe ist es, ihnen beizubringen, dass Glück machbar ist: Es basiert auf einer mentalen Technik, einer Art optimistischer Selbstbeschreibung, die jeder erlernen kann." Tatsächlich geben 23 Prozent seiner Seminarteilnehmer an, dass sich ihre Lebenseinstellung nach dem Happiness-Kurs verbessert hat.

Begründer Seligmann

Die Disziplin der Positiven Psychologie ist relativ neu. Ihr Begründer ist der Depressionsexperte Martin Seligman, dessen Antrittsrede 1997, als er zum Präsidenten der American Psychological Association gewählt wurde, einschlug wie eine Bombe. Seligman rief seinen erstaunten Kollegen zu, die Neurosen und Psychosen einmal beiseite zu lassen und sich auf das Rätsel des glücklichen Lebens zu konzentrieren. "Es gibt so viele unter uns, die weder selbstmordgefährdet noch verzweifelt sind und sich doch fragen, was das Leben lebenswert macht", ist auf seiner Website www. authentichappiness.org zu lesen. Hier findet sich auch das Schlüsselelement seiner Lehre: "Vereinfache dein Leben: Es ist zu kurz, als dass wir uns mit Dingen überhäufen, die uns nicht wirklich interessieren." Seligman unterrichtet zurzeit an der University of Pennsylvania, wo er den weltweit ersten Master-Studiengang in Positive Psychology ins Leben gerufen hat.

"Erst in der Abschlussklasse ist mir gedämmert, dass ich eigentlich nie Jus studieren wollte", gibt Elizabeth Peterson zu, die fast 40.000 Dollar für das Zusatzdiplom ausgibt. "Das hier passt besser zu mir, denn ich liebe es, mit Menschen zu reden." Auch in den "harten" Wissenschaften ist die Idee des Positive Thinking en vogue.

Immer mehr US-Wirtschaftswissenschafter predigen die Macht des Optimismus als Weg zum Unternehmenserfolg. Und immer mehr angehende Mediziner lernen, wie die richtige Einstellung zu gesteigerter Aktivität in gewissen Hirnregionen führt, Krankheiten verhindert und Leben verlängert. (Beatrice Uerlings, Der Standard, Printausgabe, 17./18.02.2007)