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Der Erfolg stimmte milde: Lugner hatte mit Paris Hilton seine PR, Ioan Holender mit Anna Netrebko seinen glanzvollen Auftritt - und Alfons Haider Interviewpartner.

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Der Ballsaal war heuer mit Blattwerk und Orchideen geschmückt. Das Lichtkonzept sorgte für die farbenprächtige Ergänzung.

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Wieder einmal schleuste ein Pferd eine Geheimwaffe ein: Anna Netrebko.

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Wien - "O mein Gott, sie wollen uns töten", stieß die Mutter von Paris aus, als sie hin-auslugte und die Heerschar der Belagerer gewahrte. In der historischen Vorlage sollte sie Recht behalten und fast alle - von Paris und Hektor abwärts - wurden während der Belagerung von Troja gemetzelt, spätestens beim finalen Schlachten, überrumpelt von der List mit dem hölzernen Pferd.

Diesmal aber war es die Mutter von Paris aus der Hilton-Dynastie, die solches hervorstieß, als sie der Fotografen und Kameraleute ansichtig wurde, die ihre Loge belagerten - und sie sollte sich irren. Alle kamen mit dem Leben davon; es gab nur ein paar Blessuren.

Vielleicht ging die Sache ja besser aus, da Paris diesmal keinen Schatz des Menelaos hatte mitgehen lassen - sondern lediglich von Richard Lugner und dem Hotelier Günther Aloys ein fürstliches Honorar eingestreift hatte. Nein, das Gastrecht wurde diesmal nicht missbraucht - auch nicht während des Opernballs. Verkehrte Welt, denn diesmal war es Paris, die Geschenke brachte: Güldene Dosen mit Sprudel.

Die Ferse blieb heil

Da, ein Ausfall der Belagerten: Hilton und die Lugners steuern die schützende Loge des benachbarten Herrschers - Bundespräsident Heinz Fischer - an. Das Getümmel wogt hin - und es wogt wieder her, ein Sturz, ein "Au!", eine Frau liegt am Boden und hat sich am Knöchel verletzt - doch Götter sei Dank war es nur an der Hand und keine Wunde an der Achillesferse.

Dann noch ein wackrer Versuch: Die Eingeschlossenen kämpfen sich durch bis zum weiter entfernten Herrscher - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer - doch das Glück ist ihnen diesmal nicht hold. Als die gewaltsam sich durch die Menge drängende Traube bei der Regierungsloge ankommt, wird ihr beschieden, dass sie zehn Minuten warten möge.

Drinnen der Bundeskanzler, der vom Auftritt der Netrebko schwärmte und sich mit der Hotelerbin nicht schmücken wollte. Aber auch mit sonst nichts: Gusenbauer trug bei seinem ersten Opernball weder Orden noch Schärpe. "Ich trage lieber eine Schleife", so der Kanzler in Anspielung an den "Red Ribbon" an seinem Revers. Zudem kommt, dass Dosensprudel auch nicht gerade das seine ist, sondern vielmehr Wein aus edleren Gebinden.

Vor der verschlossenen Türe blieb der Hilton und den Lugners daher nur der tumultartige Rückzug. "Was sind s' denn da draußen scho' wieder so hysterisch?" hörte man aus einer der Logen am Gang - es könnte jene von Bürgermeister Michael Häupl gewesen sein.

"Das ist schizophren!"

Draußen wiederum blieb auch diesmal ein versehrter Kamerakünstler zurück - mit einer leichten Schramme am Kopf. Und einer der beiseite geschubsten Gäste schrie in seiner Empörung: "Das ist schizophren! Das ist schizophren!" Was aber durchaus stimmig war. Denn während sich alle verbissen und ohne Links oder Rechts zu beachten in das Hilton'sche Getümmel warfen - fielen in den Gefechtspausen immer wieder Sätze wie: "I weiß wirklich net, was an der dran sein soll." Und unter den befrackten Zaungästen des Geschehens konnte man hören: "Gefährlich, gefährlich. So viele Menschen auf engem Raum. Aber lustig zum Anschaun."

Und dieses Abspalten der Seele (Schizophrenie) galt durchaus für die ganze Veranstaltung. Denn das, was hier ins Zentrum des Geschehens rückt und alle Aufmerksamkeit auf sich zieht - war im Grunde genommen nur ein Nebenschauplatz. Denn der Hausherr Ioan Holender hatte sich, um das Zitat der griechischen Sagenwelt vollends abzurunden, quasi der List mit dem Pferde entsonnen - und ein solches mitten ins Zentrum des Geschehens eingeschleust. Der Gaul brachte sozusagen Holenders Geheimwaffe mit, die Paris letztlich verblassen ließ: Anna Netrebko, die mit ihrem Auftritt während und nach der Balleröffnung das Opernhaus tatsächlich in regelrechte Schwärmerei versetzte.

Lediglich der Schimmel entzweite die Geister. Das Pferd habe ihm am wenigsten gefallen, urteilte etwa Infrastrukturminister Werner Faymann. Was von Wissenschaftsminister Johannes Hahn prompt widersprochen wurde, den die Disziplin des Tieres sehr beeindruckt hatte. Auch Faymann und Hahn waren im Gegensatz zu den meisten ihrer Regierungskollegen ohne Ordenbehang erschienen. Mit einer recht simplen Erklärung: "Wir sind noch zu jung."

Paris Hilton war übrigens im Laufe des Abends mehr und mehr das aufgesetzte erotische Gesicht eingeschlafen. Noch vor halb eins warf sie das Handtuch und verabschiedete sich inmitten eines finalen Tumults. Zurück blieb der Lugner, der meinte: "So schlimm war's noch nie." Außer vielleicht seinerzeit vor Troja. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 17./18. Februar 2007)