Dr. Attila Fenyves ist Ordentlicher Professor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien.

Foto: Leeb-Salomon Iris, Institut für Zivilrecht, Sekretärin Prof. Fenyves
der Standard: Kürzlich wollte erstmals in Österreich eine Skiurlauberin das Geld für eine Skiliftwochenkarte für sich und ihre zwei Kinder vom Liftbetreiber zivilrechtlich einklagen. Macht das Ihrer Meinung nach Sinn?

Attila Fenyves: Es kann Sinn machen. Das ist abhängig von den konkreten Umständen. Wenn die Urlauberin selbst erkennen kann, dass der Skibetrieb nur schwer möglich sein wird, weil bis auf einen schmalen Streifen Kunstschnee alles aper ist, hat sie weder Gewährleistungsansprüche noch wurde sie in Irrtum geführt. Wenn sie aber nicht erkennen konnte, dass die Pisten gefährlich waren, hätte sie mit zwei kleinen Kindern dar-über aufgeklärt werden müssen. In diesem Fall hätte sie sehr wohl Chancen auf eine Preisminderung oder Rückerstattung eines Teilbetrages.

der Standard: Das Argument des Anwalts war, dass mit dem Kauf der Liftkarte ein Beförderungsvertrag zustande komme, der immanent mit Nebenpflichten verbunden sei, unter anderem über den Zustand der Piste zu informieren.

Fenyves: Prinzipiell ist das richtig. Aber über allgemein Bekanntes muss der Liftbetreiber wie gesagt nicht informieren. Wenn offensichtlich kein Schnee liegt, ist das allgemein erkenntlich. Wenn die Schneeverhältnisse nicht so klar sind, müsste der Liftbetreiber Einheimische zum Beispiel nicht informieren, weil man von denen annehmen kann, dass sie die Schneeverhältnisse einschätzen können. Auswärtige müssten hingegen schon informiert werden, wenn sie die Lage aufgrund ihres durchschnittlichen Wissens nicht einschätzen können.

der Standard: Das heißt, Einheimische können anders behandelt werden als Gäste von auswärts? Könnten jene dann nicht auf Gleichbehandlung klagen?

Fenyves: Nein, denn die zusätzlichen Infos sollen ja ein Informationsdefizit ausgleichen.

der Standard: Macht es einen Unterschied, ob man ein Pauschalarrangement gebucht oder Liftkarte und Hotel extra bezahlt hat?

Fenyves: Ja, denn eine Pauschalreise basiert auf einem Reiseveranstaltervertrag, da kommt dann zusätzlich das Konsumentenschutzgesetz zum Tragen, das einige Verbesserungen bringt, etwa dass es bei Verschulden auch einen Anspruch auf Ersatz der entgangenen Urlaubsfreuden gibt.

der Standard: Wie können sich Liftbetreiber vor Klagen schützen?

Fenyves: Durch offene Information, wie sie ja jetzt schon großteils betrieben wird, zum Beispiel mit Schildern wie "Achtung! Nur für geübte Skifahrer" oder "Piste nur eingeschränkt benutzbar".

der Standard: In dem eingangs erwähnten Fall hat die Klägerin dann doch einen Rückzieher gemacht. Überrascht Sie das?

Fenyves: Wir wissen ja nicht, ob ein Vergleich geschlossen wurde. Es kann ja sein, dass das Verfahren vergleichsweise still und heimlich beendet wurde, weil die Tourismusindustrie kein Interesse daran hat, dass es einen Präzedenzfall gibt. So wie mir der Fall bekannt ist, wären die Chancen für die Klägerin nicht so schlecht gewesen.

der Standard: groß sind umgekehrt die Risken bei ei-ner Klage? In diesem Fall ging es ja um eine Schadenssumme von 550 Euro. Können die Anwaltskosten da nicht um einiges höher sein?

Fenyves: Natürlich können die Kosten hoch werden. Wenn man verliert, hat man die Gerichtskosten, die Kosten des eigenen und des Anwalts der Gegenseite zu tragen. Da ist es immer von Vorteil, eine Rechtsschutzversicherung zu haben.

der Standard: Glauben Sie, dass dieses Beispiel Schule machen wird?

Fenyves: Ich glaube schon. Im Sommertourismus kommen ja schon jetzt immer mehr Fälle vor Gericht, das wird auch im Winter so sein. (Interview: Tanja Paar/Der Standard/RONDO/16.2.2007)