Sandra Frauenberger (SP), Ursula Stenzel (VP), Gerfried Sperl (STANDARD), Maria Vassilakou (Grüne) und Johann Herzog (FP) (v. li.): Sprache als Schlüssel zur Integration

´Foto: STANDARD/Urban
Wien - "Ich nehme an, dass ich mich integriert habe", sagt der Taxifahrer, der sich, wie es der Zufall wollte, nach dem Standard-Montagsgespräch zum Thema "Zukunft der Integration" vor dem Haus der Musik in der Seilerstätte einfand. Seit 17 Jahren sei er nun in Wien, und noch immer hätten sich die Österreicher nicht an Ausländer gewöhnt, erzählt der gebürtige Türke während der flotten Fahrt eine Anekdote. Denn genau das hatte man ihm gesagt, als er vor zehn Jahren Straßenbahnfahrer werden wollte. "Aber was ist Integration? Oder verwechselt man das mit Assimilation?" fragt er.

Dieser Frage gingen auch die Diskutanten, Wiens Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SP), die Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt Ursula Stenzel (VP), Grünen-Klubobfrau Maria Vassilakou und FP-Vize-Landesparteiobmann Johann Herzog, nach. Es sei ein "Fehler", dass die neue Bundesregierung keinen Staatssekretär für Integration habe, bedauerte Frauenberger. Dafür aber einen für Sport, was ja auch förderlich für Integration sein solle, warf Diskussionsleiter Standard-Chefredakteur Gerfried Sperl ironisch ein.

Qualifikationen anerkennen

Wien sei das einzige Bundesland, das eine eigene Integrationsstadträtin habe, lobte Vassilakou, doch Integration passiere erst dann, wenn die Berufsqualifikationen der Migranten anerkannt würden und auch die zweite Generation Anerkennung und gute Jobs finde. Integration beginne schon in der Schule, waren sich die vier Politiker einig, Frauenberger verwies sogleich auf die Initiativen der Stadt: Den Gutschein für einen Deutschkurs im Kindergarten sowie den Deutschkurs für Mütter "Mama lernt Deutsch". Von jährlich 14.000 Erstklässlern brauchen 2400 Wiener Schüler zusätzlichen Deutschunterricht. Förderlich sei also nicht, dass vor einigen Jahren 1000 Lehrer, die als Zusatzlehrer fungierten, dem so genannten Nulldefizit zum Opfer fielen, bemerkte Vassilakou. Und einen weiteren Punkt kritisierten die Grünen. Der Sprachkurs-Gutschein, der es jedem Kindergartenkind ermögliche, einen Deutschkurs zu machen, scheitere daran, dass es nicht genügend Plätze gebe und dass jene Kinder in einen Extrakurs kämen. "Was macht es für einen Sinn, wenn nicht Deutschsprachige mit nicht Deutschsprachigen Deutsch lernen?" fragte Grünen-Integrationssprecherin Alev Korun aus dem Publikum.

Herzog trat dafür ein, dass Migrantenkinder so lange einen Deutschkurs besuchten, bis sie die Sprache gelernt hätten. Erst dann sollen sie in die Schule kommen. Das letzte Kindergartenjahr gratis anzubieten und so frühzeitig Sprachdefizite erkennen, würde Zusatzlehrer ersparen, sagte Stenzel. Die Stadt Wien hat 150 Lehrer neu angestellt.

Wohnen im Grätzel

Die Wogen am Podium gingen noch einmal hoch, als die Sprache auf die Wohnsituation der Ausländer in Wien kam. Während Herzog Bilder von Vorstadtunruhen, wie jene in Paris, heraufbeschwor, indem er die Bevölkerungsstruktur als "demografische Zeitbombe" bezeichnete, beschwichtigte Frauenberger. Die Ergebnisse der Studie der Akademie der Wissenschaften, wonach in Wien Gettoisierungsprozesse in den als Ausländerbezirken bekannten Wohngegenden stattfinden, wollte sie nicht stehen lassen. Seit 20 Jahren, dem Vergleichsraum der Studie, habe sich die Situation gebessert, Die Gebietsbetreuung hätte dazu beigetragen. Chancen am Arbeitsmarkt und Nostrifikationen von Zeugnissen sind in ihren Augen Wege aus der ungünstigen Wohnsituation.

Am Zielort angekommen, braust der Taxifahrer davon. Seine Frage, ob er sich assimilieren oder integrieren solle, wurde ihm auf dem Podium nicht beantwortet. Den 300.000 in Wien lebenden Ausländern auch nicht. (Marijana Miljkovic, DER STANDARD print, 14.2.2007)