Sevilla - Wenn sich im Herbst etwa fünf Milliarden Rotschwänzchen, Laubsänger und andere Wandervögel auf den langen Weg gen Süden machen, drohen ihnen bei Tageslicht viele Gefahren. Jäger stellen Fallen oder greifen zur Schrotflinte, Raubtiere lauern an Rastplätzen, und in der Luft werden die kleinen Flieger von Falken verfolgt. Lediglich beim Nachtflug wären die Wanderer sicher, dachte man - und irrte.
Als vor einigen Jahren spanische Wissenschafter größere Mengen Federn im Kot von Riesenabendseglern (Nyctalus lasiopterus) fanden, war ihre Verwunderung zunächst groß. Fraßen die Fledermäuse, die eine Spannweite von knapp einem halben Meter haben, tatsächlich Vögel mitsamt dem Gefieder? Eine andere Erklärung schien den Forschern nicht möglich.
Expertenverhöhnung
Ihre These stieß in der Fachwelt jedoch auf Skepsis und wurde von einigen Kollegen gar verhöhnt. Letztere behaupteten, dass die Riesenabendsegler die Federn versehentlich bei der Insektenjagd geschluckt hätten, weil ihr Radarsystem sie nicht von nahrhafteren Happen unterscheiden könne. Ein eindeutiger Beweis musste her.
Der Biologin Ana Popa-Lisseanu von der Biologischen Station Doñana nahe der südspanischen Stadt Sevilla gelang nun mittels Isotopen-Analyse genau dieser Nachweis in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift PloS ONE. Zusammen mit einigen Kollegen analysierte die Forscherin Veränderungen in den Anteilen an Stickstoff(N)15 und Kohlenstoff(C)13 im Blut der Fledermäuse. Je näher ein Tier am Ende der Nahrungskette steht, desto stärker reichern sich solche natürlichen, stabilen Isotope in seinem Gewebe an. Schwankungen aufgrund veränderter Ernährung lassen sich im Blut besonders schnell nachweisen.
Im Sommer, wenn kein Vogelzug stattfindet, ernähren sich die Riesenabendsegler ausschließlich von Insekten, dementsprechend fanden die Wissenschaftler auch nur geringe 15N- und 13C-Konzentrationen in den Blutproben der mit Netzen gefangenen Jagdflieger. Ab Juli stiegen die Werte jedoch deutlich an, bis sie im Herbst eine Höhe erreichten, die nur durch den Konsum größerer Mengen Vogelfleisch erklärt werden konnte. Die Steigung deckt sich genau mit der zunehmenden Wanderaktivität der Singvögel über Südspanien.
Tödlicher Biss im freien Fall
Wie die Riesenabendsegler ihre in 500 bis 4000 Meter Höhe fliegende Beute überwältigen und fressen, können die Forscher noch nicht genau erklären. "Wir vermuten, dass sie die Vögel mit ihren Flughäuten einfangen und - quasi im freien Fall - durch Biss töten", erklärt Ana Popa-Lisseanu gegenüber dem Standard. Gefressen wird ebenfalls in der Luft.