Reit im Winkel: schneesicher, etwas abgelegen und Sitz eines "Alpinen Gastgebers".

Foto: Maro und Partner
Ein Tal, das einzig und allein nach Westen hin ein wenig offen bleibt, sich im Übrigen aber gerne in die Obhut schützender Randberge begibt, ist ein gleichermaßen lohnendes Ziel für Klimatologen und Kabarettisten. Erstere sind im bayerischen Reit im Winkel damit beschäftigt, Deutschlands zuverlässigstes Schneeloch zu verstehen. Letztere ebenfalls, wiewohl das Interesse eher enklavischen Gemütern gelten mag.

Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee, alpine Eigenbrötler wie Reit im Winkel wiederentdecken zu wollen? Behilflich ist dabei seit Kurzem eine Initiative, die nicht gleich Halt vor dem nächsten Berg macht. Überregional und ganz offiziell gefördert (aus den Interreg-Töpfen der EU) haben sich rund 450 kleine Gastbetriebe aus Oberbayern, Tirol und Salzburg zusammengetan, um ein Beherbergungssegment zu reanimieren, das einst die Basis alpiner Gastlichkeit gewesen ist. Wenn sich heute unter der Dachmarke "Alpine Gastgeber" Pensionen, Privatvermieter und kleine Hotels präsentieren, dann ist das der Versuch einer Wiedergutmachung - für alte Versäumnisse, die den Mittelständlern unter den Gastgebern enorme Einbußen bescherten.

Drei wesentliche Elemente waren es, die da konsequent vernachlässigt wurden: Man verstand sich nicht unbedingt als Serviceleister für den Gast, den Häusern fehlte der alpine Charakter und gegen Kurzurlauber schützte man sich mit überhöhten Zuschlägen.

So muss es den "Alpinen Gastgebern" tatsächlich ein Anliegen sein, über Landesgrenzen hinweg oft sehr reizvolle aber wenig inszenierte Regionen nun im Verbund in Erinnerung zu rufen, indem man dort ansetzt, wo man nun mal sitzt: Etwa in Oberbayern kulinarisch bei Reiberdatschi und Bier, räumlich in der Bauernstube und draußen vor der Tür am Berg.

Was der 160 Seiten starke Katalog in Verbindung mit der Internet-Plattform in Zukunft leisten könnte, ist offensichtlich: Wer in die Alpen will, greift zum Almanach einer Hundertschaft privater Gastgeber, die allesamt die "Vermieterakademie" durchlaufen haben. Hierbei handelt es sich um das Herzstück der Qualitätsoffensive, nämlich die verpflichtenden Seminare für Vermieter, die am Markenauftritt teilhaben wollen.

Wenn man dann noch die Onlinesuche verwendet, die individuelle Schmankerln, die aktuelle Schneelage und den besonderen alpinen Charakter ausspuckt, kommt man in die verborgensten Winkel. Vielleicht sogar zu einem Gastgeber in Reit im Winkel. Ob Kabarettisten wie Gerhard Polt, der dort im März gastiert, durch diesen "Hort der Gastlichkeit" die Grundlage für ein Programm entzogen wird, bleibt abzuwarten. (Sascha Aumüller/Der Standard/Printausgabe/10./11.2.2007)