Peter Prinz gibt den "Eisner" nur schweren Herzens auf.

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Wien - "Wenn einer an eine Pfanne denkt, dann denkt er nicht mehr an den Eisner." Peter Prinz, gemeinsam mit seiner Gattin Helene seit 32 Jahren Besitzer des "Fachgeschäfts für Tischkultur und Hochzeitslisten" namens Eisner, ist der Entwicklung "nicht gram" - auch wenn er das Traditionsgeschäft in der Stumpergasse in Mariahilf "schweren Herzens" aufgibt: "Ich bin hier eingewachsen", schmunzelt der 63-Jährige, in dessen freundlichen Augen doch ein wenig Wehmut glänzt.

Glänzend arrangiert ist auch das umfassende Sortiment an hochwertigem Porzellan, Besteck und Küchengerätschaften aller Art, für das "der Eisner" 109 Jahre lang stand - genauso wie für persönliche Betreuung und Beratung. Seit bekannt ist, dass ab 28. April Schluss ist, stürmt die Kundschaft das 450-Quadratmeter-Geschäft, das einst auch durch seine auffällige Fassade - quasi eine Tapete aus Tellern - über die Stadtgrenzen hinaus ein Begriff war.

1994, 90 Jahre nachdem Unternehmensgründer Samuel Eisner sie installiert hat, war das Holz morsch; die Fassade musste entfernt werden. Wenig später begann auch der Umsatz zu bröckeln. "Heute bekommt man in jedem Baumarkt, Supermarkt, Kaffeeröster oder Möbelgeschäft den normalen Hausrat", klagt Prinz. Hinzu kommen der Preisverfall von Geschirr und die Konkurrenz aus China, die mit Billigporzellan nach Europa greift. Auch die Lage - am Delta, wo die Innere Mariahilfer Straße in den Gürtel ausläuft - werde immer schlechter: "50 Meter hinein in die Seitengasse ist der halbe Umsatz", glaubt Prinz. "Vor 30 Jahren konnte man sich in der Stumpergasse voll eindecken, es gab eine Wäscherei, eine Fleischerei, einen Bäcker, einfach alles. Mit dem Niedergang des Einzelhandels stirbt auch die Stumpergasse."

Exklusive Geschirrmarken im gehobenen Preissegment, Spezialisierung auf Hochzeitslisten und Silberbesteck sicherten der Familie Prinz dennoch ein gutes Auskommen. Bloß: Das Pensionsalter ist erreicht, der Ruhestand bei einer 60-Stunden-Woche mehr als verdient - aber kein Nachfolger ist in Sicht. "Wer will heute schon Einzelhändler werden?", hat sich Peter Prinz damit abgefunden, mit seinem "Lebenswerk" abschließen zu müssen: "Das ist der Zug der Zeit."

"So ist die neue Zeit!" kommentiert auch Ernst Lackner, seines Zeichens G'schamster Diener und Eigentümer des gleichnamigen Kaffeehauses das Geschäftesterben in der Stumpergasse. "Da sehn S'. So sind die Leut heute", schimpft er über einen Gast, der mit einem "Ich komm später wieder" das Lokal verlässt, nachdem sein bestellter Kaffee nicht sofort serviert wird. Seit 25 Jahren betreibt er das Kaffeehaus mit den abgesessenen mintgrünen Polsterungen - und "kämpft ums Überleben". Schuld sind laut Lackner Shoppingcenter und das Abwandern von Firmen in große Bürohäuser, was die Laufkundschaft in der Stumpergasse stetig dezimiert. Immerhin gibt es treue Stammkunden, die namentlich begrüßt und in Altwiener Manier bedient werden.

"Der Eisner wird nicht der Letzte sein, der zusperrt", ist Lackner wenig optimistisch. "Früher hat die Stumpergasse pulsiert. Wenn alle abwandern, wird's immer schwieriger." Wenigstens hat der 51-Jährige kein Nachfolgeproblem: Der Sohn hilft schon jetzt aus, auf die Frage, ob er das Café übernehmen würde, zuckt er mit einem "Warum nicht?" eher gleichgültig die Achseln. Bis dahin will Lackner versuchen, die anderen Geschäftsleute für die Gründung eines Stumpergassen-Vereins zu gewinnen, um mit speziellen Aktionen das Shopping-Publikum von der Mariahilfer Straße wegzulocken.

Relikte und Nischen

Von glorreicheren Zeiten der Stumpergasse zeugen noch heute edle Portale in dunklem Holz oder von goldenen Mosaiksteinen umrahmte Vitrinen. Zu alteingesessenen Händlern wie einem Uhrmacher, einem Taschendoktor und Juwelieren gesellen sich jetzt ein indischer Lebensmittelgroßhandel und diverse Imbisse. Einige der leer stehenden Geschäftslokale haben neue, nischenaffine Besitzer gefunden, die die günstigen Mieten nutzten: Junge Designer etwa oder ein Reptilienfachgeschäft, ein Metal-Musik-Laden und ein Skater-Ausstatter. Eine Brücke zur Vergangenheit schlägt auch das "Tag/Nachtasyl": Hier treffen sich noch immer gelegentlich tschechische Dissidenten, die nach der Charta 77 nach Österreich kamen - und in der Stumpergasse Asyl fanden. (Karin Krichmayr, DER STANDARD - Printausgabe, 9. Februar 2007)