Der Duft des Goldes und der Diamanten entpuppt sich als olfaktorische Null. Dass Marienkäferchen und Schmetterlinge über die Amethyste krabbeln und Brillanten wie funkelnde Wassertropfen neben den Blütenblättern hängen, tut da nicht viel zur Sache. Die auffällige Schmuckkollektion "Diorette", mit der Dior zuletzt einen Strauß für florale Schmuckmotive band, riecht für Kavaliere bestenfalls nach einem Vergissmeinnicht. Und vielleicht nach einem abgegrasten Bankkonto.

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Doch der erste Eindruck täuscht. Blumenschmuck will für alle da sein - entsprechend erschwinglich vertreibt Dior die blumige Kollektion. Das ist wohl auch ganz im Sinne von Schmuckdesignerin und Lagerfeld-Freundin Victoire de Castellane, die für das französische Modehaus mit "Diorette" als Klunkerfloristin Furore machte. Dass gerade die Schöpferin des auffälligsten Blumenschmucks der Saison Trends vielleicht weniger hinterherläuft, als ihre vielen Mitbewerber das tun, bleibt dabei bestenfalls eine Randnotiz - eine fantasievolle allerdings.
"Mademoiselle" von Chanel

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"Die Fee Tinkerbell hat mir den Entwurf eingeflüstert - und ein bisschen auch Jeff Koons", sagt de Castellane über "Diorette". Dass Vic- toire de Castellane normalerweise Totenkopfbroschen entwirft, die bei Rockstars und Partytigern hoch im Kurs stehen, verleiht dem Märchen der rein zufällig wäh- rend einer allgemeinen Blumenmodephase entstandenen Kollektion zumindest notdürftige Authentizität. Dass neben Dior in dieser Saison eine Reihe führender Juweliere besonders gerne durch die Blume zu ihren Kunden sprechen, ist unübersehbar.

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Was beim Möbel und in der Mode ein großes Thema ist, nämlich das Comeback von Blümchenmuster und Wiesenglück, bestätigt auch ein Blick in die Auslagen des internationalen Schmuckdesigns. Bulgaris aktuelle Blümchenkollektion heißt beispielsweise "Sapphire Flower" und treibt allerlei höchst polychrome Blüten - zusammengesetzt aus jeweils verschiedenfarbigen und verschieden großen Saphiren. Das Resultat: Ringe, Armreifen, Colliers und Ohrringe, die von Stück zu Stück variieren. Eine Stilblüte unter vielen.
"Orchid"-Ohrringe von Frank O. Gehry für Tiffany

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Auch Chanel hat mit dem Collier der in Rotgold gefassten "Mademoiselle"-Kollektion zuletzt das Gegenteil eines Mauerblümchens kreiert. Und Chopard, De Grisogno, Graff, Adler, Sifani, De Beers, Chantila - keines dieser mit Schmuck und Uhren befassten Labels wollte sich diese Saison den Verzicht auf florale Motive leisten. Zumindest die Erweiterung bereits bestehender, in die Blümchenmode passender Kollektionen war dabei Pflicht.

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Dass manche in diesem Zusammenhang auf besonders blumenfreundliche Designtraditionen verweisen können, entwächst in der Regel dem Substrat der Firmengeschichte. Beispiel Cartier, einer jener Juweliere, die auf eine weit zurückreichende Beschäftigung mit floralen Motiven blicken können. Mitunter verdankte sich diese auch dem Blick in Nachbars Garten. Louis und Pierre Cartier ließen sich beispielsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts von ausgedehnten Reisen durch Russland zu floralen Mustern inspirieren, die sich umgehend in begehrten Schmuckstücken niederschlugen. Stück aus Cartiers Kollektion "Caresse d'orchidees"

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Eine der neueren Kollektionen, Caresse d'Orchidées", die sich im dekorativen Wildwuchs aus Diamant und Platin zwischen Schulterblatt und Ohrläppchen schlängelt, wurzelt in dieser Tradition. Orchideen spielen übrigens auch bei Tiffany und Co eine historisch relevante Rolle. Immerhin machte der Name Tiffany bereits 1889 mit 25 Orchideenbroschen von sich reden, die damals eigens für die Pariser Weltausstellung entworfen wurden.

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Rückblickend könnte man sagen: ein Riesenerfolg, da fährt die Eisenbahn drüber - zumal ja Letztere in Form des Eisenbahnmagnaten Jay Gould in den Showroom schnaufte, um begeistert von den zarten Wölbungen der delikat verarbeiteten pflanzlichen Motive mit der Hälfte der Kollektion wieder abzudampfen. An diese Episode erinnerte sich vielleicht auch Architekt Frank Gehry, der sich im vergangenen Jahr als Tiffany-Schmuckdesigner versuchte und, neben der obligaten Gehry'schen Trademark - dem Fischmotiv -, eben auch spielerisch ineinander verdrehte Orchideenohrgehänge kreierte.
"Diorette" aus dem Hause Dior

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Viel Freude am jüngsten Blumenmotivtrend dürfte aber auch Van Cleef & Arpels haben. Der Pariser Uhrmacher und Juwelier, der im vergangenen Jahr seinen runden Hunderter feierte, hatte schon immer ein Herz für blumige Motive. Nicht umsonst gilt die in den Siebzigern aufgekommene stilisierte Kleeblattform der Kollektion "Alhambra" als erklärte Firmenikone. Daran knüpfen aktuelle, zwischen Uhr und Schmuck angesiedelte Vintage-Editionen der "Alhambra" nun zeitgenau an.

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Klar aber auch, dass sich das Thema "Blumenmotiv und Schmuck" einige tausend Jahre weit zurückverfolgen ließe. Immerhin stellen Blumenmotive und Damenschmuck eine klassische Langzeitallianz dar - unter anderem. Dass die Abstraktion des Prinzips Blüte einen auf viele Kulturen ausdehnbaren Assoziationsgehalt zum Thema Frau beinhaltet, das verrät ja bereits ein kurzer Blick auf den formalen Fundus ritueller wie auch profaner Artefakte.
"Vintage Alhambra" von Can Cleef & Arpels

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Die Schale und Höhlung als stilisierte Vulva findet sich in der kultischen Handhabung, als Muschel und als Blüte eben auch im archaischen Formenrepertoire uralter Schmucktradition. So viel zum Blick nach innen. In Zeiten, in denen sich Design aber auch mit dem Dechiffrieren überlieferter Codes befasst, hat aber auch die Schmuckblume neue Wuchsformen erlangt - und wuchert mitunter als technoides Pflänzchen am Finger der Trägerin.

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Besonders gut nimmt sich das beim bereits erwähnten römischen Juwelier Bulgari aus, der mit der Kollektion "Cicladii" geometrisch anmutende Scheibchen wie Hortensienblätter übereinanderlappen lässt. Dort, wo beim pflanzlichen Vorbild die Nabe sitzt, steht nun ein kleiner Schraubenkopf vor. 18-karätiges Weißgold ersetzt Chlorophyll-Grün. (Robert Haidinger/Der Standard/Rondo/09/02/2007)
Ohrringe aus der "Sapphire Flower"Kollektion von Bulgari

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