Außenministerin Ursula Plassnik im Speakerscorner am Ballhausplatz.

KärnterInnen singen, FranzösInnen sind eigenbrötlerisch. WienerInnen granteln und Spanier sind heißblütig. Vorarlbergs EinwohnerInnen bauen ständig am Eigenheim. Klischees zu regionalen Identitäten sind vielfältig, Zugehörigkeiten differenziert. Wenn es nach Brüssel und den nationalen Regierungen geht, sollte man endlich auch überzeugte EuropäerIn sein - zumindest bei Bedarf. Wenn es um die Abstimmung zum Verfassungsvertrag geht, oder um die EU-Präsidentschaft. "Wir sind Präsident". Ein Glücksfall, wenn sich Nationalstolz und EuropäerInnentum zumindest sechs Monate lang vereinen könnten.

Schlechtes Image

Die Ausgangslage in Österreich ist allerdings denkbar schlecht. Die jüngste Eurobarometerumfrage unterstellt zumindest 68 Prozent der ÖsterreicherInnen, kein positives Bild von der Europäischen Union zu haben. Damit liegt die österreichische Prozentzahl hinter allen anderen innerhalb der EU.

Das besonders schlechte EU-Image hierzulande erklärt der Politologe Peter Filzmaier damit, dass in Österreichs Politik - von allen Parteien - einfach zu oft die Nationalkarte gespielt wurde: "Es muss einem juristisch zum Beispiel erst einmal einfallen, ein Gesetz zu erlassen, nach dem die Tiroler LKW-Fahrer fahren dürfen, Frächter jedoch nicht. Wenn dieses abstruse Gesetz - wenig überraschend - vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben wird und der Tiroler Landeshauptmann von einem Justizskandal spricht, ist es wenig verwunderlich, wenn in Tiroler die Ablehnung gegen die EU steigt."

Nationalstaaten versus Brüssel

Mit dieser Bewertung ist Filzmaier nicht allein. EU-FunktionsträgerInnen wie WissenschafterInnen und Insider sind sich einig: die BürgerInnen können sich solange keine objektive Meinung zur EU bilden, solange die Nationalregierungen die EU als Sündenbock missbrauchen und Nationalpolitik zu diesem Zweck strikt von der EU-Politik trennen. "Der Wettbewerbsgedanke ist vorherrschend, und das wird auch so bleiben", meint Filzmaier.

Sisyphosarbeit

Also Sisyphosarbeit, wenn sich nationale wie Brüsseler Regierung weiterhin um mehr Akzeptanz der europäischen Politik bemühen? Nach den Dämpfern der Abstimmungen in den Niederlanden und Frankreich versucht jedenfalls Kommunikationskommissarin Margot Wallström eine neue Ära der EU-Kommunikation einzuläuten. Plan D nennt sie ihre neue Strategie, die die EU den Bürgern näher bringen soll. "Diskussion, Dialog und Demokratie" die schönen Schlagworte. Sechs Millionen Euro sind für das Vorhaben veranschlagt, ein "Weißbuch Kommunikation", das den Aufbau einer "europäischen Öffentlichkeit" in Form einer "demokratischen europäischen Infrastruktur" vorschlägt, wurde Anfang Februar angenommen.

Das Bekenntnis der Union zu mehr Transparenz und weniger Elite hält Filzmaier durchaus für ernst gemeint. "Man ist sich der Problematik der fehlenden Akzeptanz bewusst und versucht ehrlich zu vermitteln. Der Aufbau eines Informationsnetzwerkes ist jedoch sicher nicht unter einem Jahr zu schaffen".

Österreich vor der Wahl

Zeit, die die österreichische Regierung nicht hat. Ihre Anstrengung bei der EU-Kommunikation könnten weitaus banalere Gründe haben. Da das EU-Thema im ersten Halbjahr 2006 ohnehin vorherrschen wird, muss die EU-Kommunikation auch für die Wahlen einen Nutzen bringen. Das heißt, keine heißen Themen ansprechen und trotzdem souverän als EU-Präsident, aber für Österreich agieren. "Die EU-Kommunikation ist natürlich wahlgeprägt", so Filzmaier. "Und die ÖVP ist am besten beraten, sich einfach ruhig zu verhalten und den Mehrwert abzuschöpfen, den man aus der verstärkten Medienpräsenz gewinnt."

Einen konkreten Mehrwert für die europäische Sache erwartet sich Filzmaier in Österreich nicht. Das Grunddilemma aus der Sicht des Politologen: "Es gibt viel zu wenige Dialoginitiativen", da sehe ich bis jetzt keinerlei Trendwende. Da können Strache und Co weiterhin rufen: ´Wir sind Volkes Stimme´, weil diese Stimme eben woanders nicht vorkommt."

Identitäten erzeugen

Es wird also nicht ausreichen, sich als österreichischer Retter der Verfassung zu positionieren oder 1,5 Millionen Euro für EU-Kommunikation in Form von EU-Bussen, Speakers Corner, oder animierten Internetseiten zu investierten, um die ÖsterreicherInnen zu zufriedenen EuropäerInnen zu machen. Was das "Volk" tatsächlich will? Im Endeffekt positive Auswirkungen auf seinen Alltag. (derStandard.at, 2.2.2006)