Foto: 4AD/Dina Douglass

Kristin Hersh: Learn To Sing Like A Star (4AD/Edel)

Albumcover: 4AD
Die Stimme klingt, als hätte sie schon einiges erlebt - und das stimmt wohl auch. Der Sound wirkt patiniert, den Song, gespielt auf einer Gitarre mit Geschichte, umgibt eine Aura, wie sie alte Schwarzweißfilme verströmen. Jene Art, in der Robert Mitchum mit seiner schieren Präsenz den Gottesbeweis erbringt. Peggy Lee heißt das Stück und klingt trotz aller in die Vergangenheit weisenden Indizien scharf und frisch. In Zeiten, in denen modern meist schon als Schimpfwort Verwendung findet, gilt die Zeitlosigkeit als letztes Kompliment. Und darum geht es hier.

Es gibt Künstler, die sind einem so selbstverständlich, dass man sie hin und wieder sogar vergisst. Das bedeutet weder Liebesentzug noch Ignoranz, man vertraut ganz einfach darauf, dass sie schon wieder kommen - so wie sie es noch jedes Mal getan haben. In diese Kategorie fällt Kristin Hersh. Hersh ist seit Mitte der 1980er dabei, damals als Stimme der Throwing Muses, die die erste US-Band war, die auf dem für seine schmucke Cover-Kunst und seinen erlesenen Katalog bis heute bekannten britischen Label 4AD veröffentlicht wurde. Bald sollten den Throwing Muses die Pixies folgen, und es gab ästhetische Parallelen zwischen den beiden Bands, auch wenn die Muses nie so "hart" waren, wie die Pixies - und nie so erfolgreich.

Zwar genossen die Throwing Muses durchaus den Status von College-Radio-Helden. Eine Breitenwirksamkeit, die eine ähnliche Einschätzung heute bedeuten würde, erreichte die Band nie. Trotzdem muss man sie zu den Wegbereitern dessen zählen, was sich heute - leider - Alternativer Mainstream schimpft. Parallel zu den immer wieder auf Eis gelegten und zuletzt 2003 reanimierten Throwing Muses, deren zweiter kreativer Kopf, Hershs Halbschwester Tanya Donelly, kurzzeitig mit Kim Deal bei den Breeders gespielt hatte, begann Hersh eine veritable Solokarriere, die bis heute auf die treue Fanbasis ihrer Stammgruppe ebenso bauen kann wie auf die Treue von 4AD, wo sie immer noch veröffentlicht.

Mit einem Song ihres Soloerstlings Hips And Makers verzeichnete sie ihren bislang größten Hit: Your Ghost, ein Duett mit Michael Stipe von R.E.M., das 1994 erschien, als Stipe und Co schon Weltstars waren und diese Kollaboration entsprechend Aufmerksamkeit generierte. Dass Hersh auch ohne derlei Beistand wunderbare Songs schreiben kann, belegt nun einmal mehr eine ihrer Soloarbeiten: Learn To Sing Like A Star.

Nach zum Teil sehr zurückhaltenden Alben, die persönlichen Krisen geschuldet waren, traut sich Hersh wieder verstärkt ihren subtilen Pop-Appeal zu unterstreichen: Sie fährt mit gut unter Strom stehenden Gitarren saftige Riffs hoch - und federt diese mit der Dramatik der Songs zuarbeitenden Streichern etwas ab. Dazwischen kreiert sie intime Balladen in Triobesetzung, dann folgen Ausbrüche, wie man sie eben von der verwandt-befreundeten Pixies-Breeders-Großfamilie kennt - ohne dass Hersh dabei so tun würde, als wäre sie noch immer 22 und urwild auf Gott und die böse Welt. "It's harder now", singt sie irgendwo - und es klingt gut.

Damit ist sie erträglicher als PJ Harvey und spannender als Liz Phair, Kolleginnen, die tendenziell dieselbe Zielgruppe bedienen. (Karl Fluch/ RONDO/DER STANDARD, Printausgabe, 02.02.2007)