Stephan Schulmeister plädiert für eine "extrem einfache" Besteuerung, die insbesondere Finanzvermögen erfasst, den "Normalbürger" aber kaum belastet und unterm Strich ca. 3,8 Mrd. Euro zur Finanzierung des Sozialstaats freimachen würde.

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Fünf Gründe sprechen für eine grundlegende Reform der Vermögensbesteuerung in Österreich. Erstens: Die Werte von Vermögen wie Aktien, Immobilien oder Kunstwerken steigen stark überdurchschnittlich. Gleichzeitig haben sich das Wirtschaftswachstum und damit die Schaffung "realer" Werte verlangsamt.

Zweitens: In Ländern wie den USA, Großbritannien oder der Schweiz profitiert auch der Staat von dieser Entwicklung. Dort ist der Anteil der vermögensabhängigen Steuern an den gesamten Steuereinnahmen hoch (USA 12,2 Prozent, Großbritannien 11,9 Prozent, Schweiz 8,6 Prozent). Drittens: Im Durchschnitt der 15 (alten) EU-Länder ist dieser Anteil viel niedriger (5,2 %). Dort wird die finanzielle Basis des (Sozial-)Staats durch das niedrige Wirtschaftswachstum geschwächt (von diesem hängen die wichtigsten Steuereinnahmen ab).

Viertens: Innerhalb der EU-15 ist Österreich das Schlusslicht, nur 1,4 % der Staatseinnahmen entfallen auf vermögensabhängige Steuern. Gleichzeitig ist die Ungleichheit in der Verteilung von Einkommen und Vermögen gestiegen. Dazu hat das (in der EU einmalige) Privileg der Privatstiftungen erheblich beigetragen.

Fünftens: Die Herausforderungen an den Sozialstaat nehmen zu. Insbesondere im Bildungswesen, bei der Pflege alter Menschen, in der Armutsbekämpfung und bei der Bekämpfung der (Jugend-)Arbeitslosigkeit müssen große Projekte finanziert werden.

Eine Reform der Vermögensbesteuerung in Österreich sollte sich an folgenden Grundsätzen orientieren:

  • Die Vermögen der "Normalbürger/innen" werden nur geringfügig belastet.
  • Sämtliche Vermögen werden einheitlich erfasst, und zwar nur einmal. Das betriebliche Vermögen von Unternehmen soll daher nicht besteuert werden, es wird bei den Privatpersonen bzw. Privatstiftungen in Form ihrer Firmenbeteiligungen erfasst.
  • Alle Arten von Vermögen werden einheitlich besteuert, insbesondere auch Finanzvermögen, und zu den aktuellen Marktwerten bewertet.

    Der Tarif einer neuen Vermögenssteuer soll extrem einfach gestaltet werden: ein konstanter Steuersatz in Höhe von 0,5% (Flat Tax), kombiniert mit einem Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro plus 25.000 pro Kind. Und: Alle Vermögen werden als Nettovermögen erfasst (nach Abzug von Verbindlichkeiten), wodurch sichergestellt wird, dass in der Phase des Vermögensaufbaus („Häuslbauen“) zumeist keine Steuer zu leisten ist.

    Christlich...

    Beispiel: Besitzen zwei (Ehe)Partner mit zwei Kindern ein Vermögen in Höhe von 500.000 Euro je zur Hälfte, so wären davon 1250 Euro pro Jahr oder 0,31 % zu entrichten (0,5 % der Bemessungsgrundlage von 250.000 Euro). Besteht das Vermögen überwiegend aus einem Haus, auf dem noch ein Kredit in Höhe von 200.000 Euro lastet, reduziert sich die Steuer auf 250 Euro oder 0,08 % (das Netto-Vermögen beträgt nur 300.000, die Bemessungsgrundlage daher 50.000 Euro).

    Der Tarif ist somit so gestaltet, dass erst dann, wenn Vermögende weder durch Kinder noch durch Kredite belastet sind, eine spürbare Steuer zu leisten ist. Sind etwa im obigen Beispiel die Kinder schon erwachsen, das Haus schuldenfrei und das Vermögen auf insgesamt 700.000 Euro angewachsen, so wären 2500 Euro oder 0,36 % zu leisten.

    Die neue Vermögenssteuer belastet also nur den Besitz erheblicher Vermögen, nicht aber die Bildung „normaler“ Vermögen. Daher wird die überwältigende Mehrheit der Bürger/innen keine oder nur eine sehr geringfügige Vermögenssteuer leisten müssen.

    Der Ertrag einer solchen Steuer wäre beträchtlich. Denn Vermögen sind noch viel ungleicher verteilt als die Einkommen. So besitzen die reichsten 10 % der Österreicher etwa 70 % aller Vermögen, die restlichen 30 % entfallen auf die 90 % relativ ärmerer Bürger/innen (Sozialbericht 2003/04).

    Nimmt man an, dass letztere überhaupt keine Vermögenssteuer zahlen, so würden dennoch zusätzlich etwa 2,7 Milliarden Euro an Steuermitteln in die Kasse des (Sozial-)Staats fließen.

    In der neuen Erbschafts- und Schenkungssteuer soll ein progressiver Tarif zur Anwendung kommen (statt bisher fünf Steuerklassen soll es künftig nur mehr eine geben). Er beträgt bei Netto-Vermögen zwischen 100.000 und 150.000 Euro drei Prozent und steigt bis zum Höchstsatz von (lediglich) 20 Prozent für Vermögen über 10 Millionen Euro (Vermögen bis 100.000 Euro sind steuerfrei).

    Erbvermögen von "Normalbürger/innen" (bis 200.000 Euro) werden kaum besteuert. Bei einem Netto-Vermögen von 300.000 Euro wären 15.000 Euro Erbschaftssteuer fällig (5 %). Eine Erbschaft in Höhe von 500.000 Euro würde annähernd so hoch wie derzeit besteuert, höhere Vermögen etwas stärker.

    ...und sozial

    Für Privatstiftungen soll es eine Erbersatzsteuer wie bei deutschen Familienstiftungen geben: Das Stiftungsvermögen wird so besteuert, als würde es alle 30 Jahre vererbt. Bei einem Steuersatz von 10 % wären also pro Jahr 0,33 % an Erbersatzsteuer zu leisten. Diese neue Erbschafts- und Schenkungssteuer würde etwa 1,1 Mrd. Euro an zusätzlichen Staatseinnahmen erbringen.

    Fazit: Diese Reform der Vermögensbesteuerung brächte dem Staat zusätzliche Einnahmen in Höhe von etwa 3,8 Milliarden Euro. Insgesamt läge dann der Anteil aller Steuern auf Vermögen in Österreich bei 1,8 % des BIP – und damit noch immer um etwa ein Fünftel unter dem Durchschnitt der EU-15 (2,2 %).

    Mit diesen Erträgen ließen sich umfassende Reformprojekte im Bildungswesen, in der Altenbetreuung, sowie zur Bekämpfung der Armut und der (Jugend-)Arbeitslosigkeit finanzieren. Überdies entspricht der Vorschlag der Soziallehre der christlichen Kirchen (für Österreich siehe insbesondere deren "Sozialwort") wie auch den (traditionellen) Grundwerten der Sozialdemokratie. (Stephan Schulmeister, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.2.2007)