Ursula Xell-Skreiner ist Expertin für konfliktarme Trennungen und Scheidungen. Während ihrer Rechtsanwaltsanwärterinnenschaft 1994 promovierte sie mit dem Thema "Ausgewählte Rechtsprobleme zum Unternehmen" - und hat heute recht wenig auf diesem Feld zu tun. Seit 2001 ist Xell-Skreiner selbstständig, spät aber doch, wie sie meint, und bereut es keinen Tag: "Ich bin hier Herrin meiner Finanzen und das ist etwas ganz Positives."
Foto: Ruth Ehrmann

Trennungen gehen eindeutig häufiger von den Frauen aus, meint Rechtsanwältin Dr.in Ursula Xell-Skreiner im dieStandard.at-Gespräch mit Birgit Tombor. Kein Problem, wenn beide Parteien sich gütlich einigen können, etwa gleich viel verdienen und kinderlos sind. Schwieriger wird es, wenn ein – meist weiblicher – Partner nicht erwerbstätig war und der/die andere auch nicht gerade Krösus ist. Und wenn Kinder vorhanden sind, sitzen Frauen am längeren Ast: Sie sind das Scheidungsthema Nummer Eins.

dieStandard.at: Mittlerweile enden mehr Ehen mit Scheidung als im Grab.
Xell-Skreiner: Das ist bundesländerweise verschieden. In Wien sind es traditionell mehr als die Hälfte aller Ehen, die in Scheidung enden, aber je weiter wir in den Westen schreiten, liegt der Anteil traditionell deutlich unter 50 Prozent. Also es ist durchaus nicht durchgängig so. Wir hören ja in den Medien nur von negativen Nachrichten. Wenn jemand lange verheiratet ist, dann ist es keinen Bericht wert, es sei denn wir haben eine goldene oder eine diamantene Hochzeit, dann liest man das in irgendeinem Gemeindeblatt.

dieStandard.at: Wie verlaufen denn die meisten Ihrer Scheidungsfälle?
Xell-Skreiner: Ich mache alle Scheidungen einvernehmlich. Ich dulde keinen Rosenkrieg. Davon überzeuge ich die Leute sehr einfach. Es gibt manchmal bockige Gegenüber. Wobei es weniger die Klienten sind als die Anwälte, die streiten sehr gerne, für gutes Geld. Dafür bin ich eher nicht zu haben. Ich sehe das eher wie eine Vertragsrichtung. Es ist im Prinzip nichts anderes.

dieStandard.at: Was sind die häufigsten Scheidungsgründe?
Ursula Xell-Skreiner: Die berühmte Stagnation. Einfach, dass die Menschen einem Punkt angelangt sind, an dem sie feststellen, dass nach einer geraumen Zeit sich die Entwicklungen getrennt haben. Das ist leider oft der Fall. Es ist nichts Besonderes vorgefallen. Ich würde sagen, das ist der Hauptgrund der Scheidungen. Den Klassiker, den gibt es eigentlich nicht. Das ist das, was ich feststelle. Es ist einfach die Luft raus. Es ist schon oft so, dass Einer oder Eine – Frauen gehen gleichermaßen fremd wie Männer – einen anderen Partner oder eine andere hat, aber das ist meistens das Ergebnis davon – man bemüht sich nicht mehr. Zwingen kann man den Partner nicht, daher ist mal ganz interessant, dass man sich vielleicht im Vorfeld schon unterhält. Daheim ohne Anwalt. Und die Möglichkeiten auslotet, wie der andere dazu steht. Weil in den meisten Fällen das Gegenüber es ähnlich sieht. Es ist ganz selten so, dass der Andere aus allen Wolken fällt und eine Trennung absolut ausschließt.
Bei solchen Fällen – keine Kinder und Einkommen adäquat – geht es eigentlich nur um die Aufteilung und die ist bei zivilisierten Menschen auch relativ einfach. Man sagt, der, der die Wohnung behält, soll auch die Möbel behalten. Wenn wenig Geld da ist, sagt man die Aufteilung in Natura, so ist es auch primär vorgesehen von der Judikatur.
Auch häufig ein Trennungsgrund: die Leben gehen irgendwann stark auseinander. Der Mann hat Zeit für Karriere, weil ihm das Weibchen den Rücken frei hält und entzückende Kinder und ein nettes Heim bietet. Leider gibt es in diesen Fällen oft ein böses Erwachen.

dieStandard.at: Wenn die Lebenswelten also so aneinander vorbei schrammen, sich dann auch alles so reduziert auf wenige Gemeinsamkeiten, wird es schwierig.
Xell-Skreiner: Deswegen meine ich, später zu heiraten ist besser. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, weil dann weiß ich schon in etwa, wo ich stehe. Die wenigsten Studentenbeziehungen halten wirklich. Am Ende des Studiums kommt der "Cut", das Beziehungsende. Je früher das ist, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass es danach noch einmal einen Entwicklungsschub gibt. Jeder kommt in eine eigene Berufswelt und entwickelt sich unterschiedlich. Der eine hat einen steilen Karrieresprung und kommt auf einmal in die Ferne, wo der andere das Nachsehen hat. Was schon auch oft höre, leider, dass Kinder eine extreme Belastung sind. Das sagen mir sehr viele, Revue passieren lassend. Dass die Frau sich so sehr den Kindern zugewendet hat, das höre ich natürlich von den Männern. Aber die das auch nicht so bemerkt haben, die flüchten sich dann in den Beruf. Aber im Nachhinein, wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich sind, hat's da dann irgendwie begonnen zu hapern.

dieStandard.at: Lassen sich geschlechtsspezifische Muster feststellen – von wem gehen Scheidungen Ihrer Erfahrung nach eher aus, der Frau oder dem Mann?
Xell-Skreiner: Trennungen gehen eindeutig häufiger von den Frauen aus. Letztendlich entscheidet die Frau. Wenn eine Frau Scheidung sagt, dann meint sie Scheidung. Das ist etwas, was Männer nur sehr schwer begreifen, die haben in dem Punkt eine verzögerte Wahrnehmung. Frauen sprechen relativ lange darüber, was alles nicht passt. Wobei ich meine, dass viele Männer wirklich überdeutliche Hinweise benötigen, um zu verstehen worum es einer Frau geht. Viele Männer kommen in meine Kanzlei, die meisten sagen: "Meine Frau will sich scheiden lassen", und manche sagen dazu: "Ich aber nicht." Hotel Ehefrau, Hotel Mama prolongiert ist eben für viele sehr gemütlich. Er sieht es als keinen Scheidungsgrund an, wenn er eine Freundin hat und fällt aus allen Wolken, wenn sie sagt, es reicht, nachdem sie zehn Jahre zugeschaut hat. Die Entscheidung kommt dann meistens von den Ehefrauen, wenn nicht gerade die Freundin einen massiven Druck macht. Aber selbst da kann man sagen: Frauen lenken hier das beziehungstechnische Geschehen absolut!

dieStandard.at: Was haben Frauen beim Ende langjähriger Ehen nach traditionellem Modell – sprich sie war nie erwerbstätig bzw. nur Nebenverdienerin – zu erwarten?
Xell-Skreiner: Es kommt immer auf den Scheidungsgrund an. Wenn ich davon ausgehe, dass das Verschulden beim Ehemann liegt: Da staunen viele, vor allem auch reifere Frauen, die am Ende stehen mit ihrer Beziehung. Mag durchaus sein, dass sie betrogen werden und das nachzuweisen ist. Die nicht erwerbstätige Ehefrau hat nur einen Anspruch auf 33 Prozent des Nettoeinkommens. Unterhaltsanspruch eben, aber wenn es sich vorne und hinten finanziell nicht ausgeht, wird es schwierig. Er kann es sich nicht leisten und sie kann mit dem wenigen nicht auskommen.

dieStandard.at: Auch 33 Prozent von der Pension.
Xell-Skreiner: Ja. Genau so einen Fall habe ich auch schon gehabt. Pensionistin, immer Hausfrau, er erhält 20.000 Schilling Nettopension und hat jetzt eine junge Freundin. Im Idealfall, also wenn schon alle Sorgepflichten für Kinder erledigt sind und keine erste Ehefrau da ist, dann bleibt ein Drittel, in dem Fall knapp 7.000 Schilling. Er kann dann bei der Aufteilung das Nachsehen haben, das wird er wahrscheinlich auch, sie wird die Wohnung zugesprochen bekommen. Nur wenn es eine Mietwohnung ist, die sie sich nicht leisten kann, da beißt sich die Katze in den Schwanz. Es sind nicht alle Menschen vermögenstechnisch in der Lage, sich tatsächlich scheiden zu lassen. Man kann zu arm sein zum Scheiden.

Ihr Pensionsanspruch vermindert sich, sie verliert ihr Erbrecht, alles. Eine Scheidung wäre in dem Fall eine falsche Entscheidung. In den meisten Fällen wird es sich wirtschaftlich nicht auszahlen bzw. einen Nachteil ergeben. Scheidungen in fortgeschrittenem Alter sind eher was für die Upper Class. Das Klestil-Beispiel ist ein sehr beliebtes, weil hier genug Geld da war. Beliebt auch dafür, dass er sie nicht "angebracht" hat, dass sie Nein zu Scheidung gesagt hat – allerdings nach drei Jahren kann man nicht mehr an der Ehe festhalten, auch wenn es keine Eheverfehlung gegeben hat. Hier genügt eben die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft.
Aber das sind dann so die Momente, in welchen ich zu harten Verhandlungen rate, um möglichst viel für die Betroffene herauszuschlagen. Das sind dann die Pfeile im Köcher einer Frau wo sie ihre gute Position verkaufen kann und den Mann in die Wüste schicken.

dieStandard.at: Wenn es also um Scheidungen geht und es liegt kein Ehevertrag vor, wie schaut es mit der Werteaufteilung aus? Und wie ist es mit dem Unterhalt?
Xell-Skreiner: Eheverträge in Österreich haben eine sehr geringe Bedeutung bis gar keine, weil die meisten Dinge nach österreichischem Recht bzw. Judikatur nicht regelbar sind.
Ehegattenunterhalt zum Beispiel. Man kann ihn eingeschränkt regeln. Es ist jedoch generell ein Verzicht auf Ehegattenunterhalt im Vorhinein nicht möglich. Also wie wollen sie wissen, was ihre Vereinbarung in Hinkunft darstellen wird? Der Unterhalt hängt immer von den aktuellen Verhältnissen ab. Wir wissen nicht, was der Unterhaltspflichtige im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe – das kann in zehn oder zwanzig Jahren auch sein – verdienen wird und was die Frau verdient. Es gibt auch erwerbstätige Frauen, die Unterhaltsanspruch haben. Es gibt so viele unbekannte Komponenten und wenn eine Unterhaltsvereinbarung auf einen Verzicht hinausläuft, ist sie nicht wirksam, insofern ist die ganze Vereinbarung ad absurdum geführt, was Unterhalt anlangt. Das nächste: der eheliche Wohnsitz ist nicht regelbar. Das ist gesetzlich bestimmt, natürlich dann rechtlich im Einzelfall konkret ausgesprochen. Sie können nicht im Vorhinein auf den Ehewohnsitz verzichten.

Das Wesen des Ehevertrags ist es, das er vorher abgeschlossen ist in Hinblick auf eine Ehe. Man möchte etwas retten, was man schon hat, das nach der Rechtslage Gefahr läuft, verloren zu gehen, wenn eine Scheidung kommt. Das Einzige – jetzt bring ich's auf den Punkt – was ich im Vorhinein regeln kann, ist der Verzicht auf eheliche Ersparnisse. Das heißt, es ist nur für den von Bedeutung, der im Vorhinein schon ein sehr großes Vermögen hat, das sich von Alleine vermehrt während der Ehe. Eine eheliche Ersparnis, die entsteht während der Ehe. Also wenn ich vorher schon hundert Millionen habe und heirate, dann ist binnen weniger Tage – um das jetzt plastisch darzustellen – mein Vermögen von alleine aus mehr geworden und ab der Eheschließung ist der Ehepartner fifty-fifty dabei. Das ist so, das kann ich aber ausschließen. Es zahlt sich nur für den der Ehevertrag aus, wenn eine extreme Ungleichgewichtung im Vorhinein besteht, vermögenstechnisch für denjenigen, der sehr viel hat. Alles andere ist nicht regelbar.

dieStandard.at: Und wenn es keinen Gutwillen bei Trennungen gibt, ist es dann alles eine Verhandlungssache vor Gericht?
Xell-Skreiner: So ist es. Aber nicht unbedingt Verhandlungssache. Ich selber schaue darauf, dass ich es außergerichtlich und einvernehmlich hinbekomme. Ich mache alle Scheidungen einvernehmlich, indem ich den Leuten die rechtliche Lage darlege, Worst-Case Szenarien "Was wäre wenn".

dieStandard.at: Und was wäre wenn?
Xell-Skreiner: Das hängt natürlich vom individuellen Einzelfall ab. Ob Männlein, ob Weiblein, ob schon ein neuer Partner da ist oder nicht, es gibt die unterschiedlichsten Dinge zu berücksichtigen. Das Einkommen von Beiden zum Beispiel. Wenn es in etwa gleich hoch ist, dann muss man um den Unterhalt und somit um das Verschulden nicht streiten. Punkt für Punkt spreche ich das Worst-Case Szenario an – so erarbeiten wir einmal intern Lösungsansätze. Man bringt alles ins Treffen, was für einen spricht und wartet, ob der "Gegner" auch etwas zu bieten hat, ob er überhaupt etwas weiß, was jetzt gegen den eigenen Klienten spricht. So nähert man sich an, Punkt für Punkt.

dieStandard.at: Auch um Kinder wird verhandelt.
Xell-Skreiner: Das Kinderthema muss abschließend geregelt sein, sonst ist eine einvernehmliche Scheidung nicht möglich. Das ist immer das Thema Nummer Eins, die Obsorge. Es stellt sich die Frage, ob alleinig, also ausschließlich Mutter oder Vater – wobei letzteren Fall gibt es praktisch gar nicht, wäre aber rechtlich möglich, kommt aber so gut wie nie vor. Oder gemeinsame Obsorge. Die geht nur einvernehmlich. Wenn die Mutter zustimmt – wenn nicht: Erstreiten kann man die gemeinsame Obsorge nicht. Wobei die auch überbewertet wird, weil gemeinsame Obsorge meint nur "rechtliche Vertretungsbefugnis". Manche Männer glauben, wenn sie keine gemeinsame Obsorge haben, dass sie dann ihre Vaterrechte verlieren, das ist ja nicht der Fall. Sie bleiben Vater mit allen Rechten, aber auch mit allen Pflichten, selbstverständlich. Es geht nur um die rechtliche Vertretungsbefugnis, solange ein Kind nicht volljährig ist.

dieStandard.at: Es werden oft Schreckensszenarien beschrieben, dass Mütter Männer verhindern, Vater zu sein.
Xell-Skreiner: Es kann auch eine Mutter nicht über Vaterrechte disponieren, aber was wollen sie machen, wenn er kommt und sein Besuchsrecht ausüben will und vor verschlossenen Türen steht.

dieStandard.at: Kann man in dem Fall klagen?
Xell-Skreiner: Natürlich, aber es passiert nichts. Ich lehne solche Streitigkeiten grundsätzlich ab, meistens sind es Männer, die darum kämpfen. Die Frauen sitzen da am langen Ast. Aber ich warne die Leute wirklich, weil ich als Anwältin nichts verrichten kann. Es ist zwar vorgesehen, das Besuchsrecht, es gibt Judikatur altersadäquat abgestimmt "von – bis". Wenn es die Mutter nicht macht, dann kann ich einen Antrag stellen, diesen bei Gericht einbringen, dann wird sie einmal zur Stellungnahme aufgefordert, allenfalls vorgeladen. Hier haben Frauen einen wirklich sehr starken Standpunkt bei der Scheidung, der im Zuge des Gesamtpaketes auf jeden Fall mit zu berücksichtigen gilt. Es wird keinen Sinn haben, hier auf Dinge zu pochen, die die Judikatur vielleicht vorsieht, was das Kind selbst anlangt. Ich denke da zum Beispiel an Sonderbedarf oder Nicht-Sonderbedarf, was man über Kindesunterhalt hinaus noch zu leisten hat. Die Freizeitgestaltung von Kindern, was ziemlich ins Geld gehen kann, und Kinderbetreuungskosten. Das sind Posten, die ein Vater nicht zu bezahlen hat, das ist massiv die Frauen belastend. Ich motiviere die Männer zu mehr Zahlungen, weil die Judikatur ziemlich restriktiv ist und begründe dies auch damit, dass die Mutter am längeren Ast sitzt und wenn es nicht bezahlt wird, auch wenn es nicht vorgesehen ist, er die Konsequenzen wird tragen müssen. Das ist meistens dann das Besuchsrecht.

dieStandard.at: Es ist also rechtlich festgelegt, wie viel der Partner/die Partnerin zahlen muss für den Kindesunterhalt.
Xell-Skreiner: Genau. Das wird geregelt, je nach Altersstufe des Kindes, wieviel Prozentpunkte Unterhaltsanspruch es gegenüber seinem in der Regel Vater bzw. dem Elternteil hat, in dessen Haushalt es nicht lebt. Das ist geschlechtsneutral formuliert. Dann gibt es gewisse Mindest- und Höchstsätze – das hat einen sozialpolitischen Aspekt. Und zwar errechnet sich diese Grenze jeweils aus dem doppelten des Mindestsatzes und ab 10 Jahren ist es das 2,5-fache. Dann gibt es natürlich, je mehr Unterhaltspflichten ein Unterhaltsverpflichteter hat, auch noch Abzüge. Das ist ein Prozentpunkt für jedes weitere Kind unter 10 und zwei Prozentpunkte für jedes weitere Kind über 10 Jahren. Geschwister oder Halbgeschwister oder einen Ex-Gatten gibt aus einer früheren Ehe, dann sind das drei Prozentpunkte wert. Gezahlt werden muss bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, das ist individuell verschieden. Das heißt, mindestens ein Studium ist drinnen. Ich würde einmal sagen bis etwa 27 Jahre, das ist eine generelle Grenze auch in anderen Rechtsgebieten. Die Judikatur ist sehr großzügig mit Kindern, also zwei Studienwechsel sind erlaubt und so temporäre Entwicklungsstörungen.

Das ganze ist ebenn ein flexibles System. Völlig flexibel, weil erstens ändert sich das Alter der Kinder. Zweitens die Bedürftigkeit. Drittens die Zahl der Unterhaltsberechtigungen, weil je mehr Kinder dazukommen, umso weniger wir das in Prozentpunkten, dann altert das Kind wieder, dann wird’s wieder mehr. Das Einkommen kann sich schließlich auch ändern. Das ist die größte unbekannte Komponente.

dieStandard.at: Das heißt ein unterhaltspflichtiger Mensch hat dann immer wieder offen zu legen, was sich bei ihr/ihm gehaltsmäßig getan hat?
Xell-Skreiner: Ja, eigentlich schon. Wenn er mehr verdient, wird er sich hüten, das an die große Glocke zu hängen. Wenn er weniger verdient, kann er einen Antrag auf Herabsetzung bei Gericht stellen, jederzeit. So wie der Unterhaltsberechtigte, wenn er Wind kriegt von einem Karrieresprung oder von einer größeren Abfertigung, die der Herr Papa nach so und so viel Jahrzehnten bei seiner Stammfirma kassiert.

dieStandard.at: Der Ehepartner/Die Ehepartnerin ist aber nur solange unterhaltsberechtigt bis zur Neuverheiratung?
Xell-Skreiner: So ist es. Bei einer Lebensgemeinschaft ruht der Unterhaltsanspruch. Das ist der Unterschied. Wenn man einen Freund hat, dann ruht er nur, wenn der Freund wieder weg ist, dann lebt er wieder auf. Da sind auch Konflikte vorprogrammiert. Das ist auch ein Aspekt, den ich bei den Scheidungen immer berücksichtige und sage, wenn ich zum Beispiel den Mann vertrete: "Bitteschön, wir geben der Frau jetzt ein Fixum, dafür nur befristet und wir schauen nicht, was sie macht." Das gibt der Frau Sicherheit, sie kann eine Lebensgemeinschaft haben, ohne dass jetzt die Grundlage wegfällt.

dieStandard.at: Das ist unabhängig vom Einkommen der Frau?
Xell-Skreiner: Das kann man vereinbaren. Es ist grundsätzlich nicht so, aber ich bin gegen prolongierte Konflikte. Wenn sie vor der Scheidung schon den Privatdetektiv vor der Tür haben, ob Sie einen Freund haben oder nicht, dann werden Sie nachher umso weniger Wert darauf legen, dass dieser weiterhin vor der Türe steht und schaut, ob sie eine Lebensgemeinschaft haben.

dieStandard.at: Ist die Ehe automatisch eine Zugewinngemeinschaft?
Xell-Skreiner: Grundsätzlich haben wir Gütertrennung. Jedem gehört weiterhin das, was er in die Ehe mitgebracht hat. Jedem gehört auch während der Ehe alleine das, was er von dritter Seite unentgeltlich zugewendet bekommen hat, sei es jetzt geerbt oder geschenkt was nicht selten vorkommt. Das ist ein sehr interessanter Aspekt. Weil da ist es nicht selten, das einer doch erheblich was erbt und dann muss man sich auch ganz genau überlegen, was man mit dem Geld macht. Ob man es wo hineininvestiert, wo dann doch aufgeteilt wird z.B. in den ehelichen Wohnsitz. Oder, wie ich empfehlen würde, gründe dir deine lang ersehnte Ordination, weil Unternehmen z.B. wieder ausgenommen sind von der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse.

dieStandard.at: Wie ist das mit Immobilien?
Xell-Skreiner: Kommt drauf an, ob die Ehegatten darin wohnen. Wenn es völlig unbetastet oder unberührt vom Lebensbereich der Ehegatten bleibt, gehört es dem, der es bekommen hat weiterhin alleine. Kritisch wird es bei Vermengung also wenn es der eheliche Wohnsitz wird. Dann wird wieder geschaut, wer hat ein dringendes Wohnbedürfnis, bei wem bleiben die Kinder. Denn die haben automatisch berücksichtigungswürdigen Bedarf und dann bekommt – schwuppdiwupp – die Ehefrau die Wohnung, auch wenn sie der Mann geerbt hat.

dieStandard.at: Haben Sie eigentlich auch Fälle, wo die "klassische" Rollenverteilung umgedreht ist, wo er ein Hausmann ist und sie die finanzielle Lebenserhalterin?
Xell-Skreiner: Ich habe solche Konstellationen in meinem Freundskreis, aber ich hatte noch keine derartige Trennung.

dieStandard.at: Ihrer Erfahrng nach: Gehen die Leute noch hoffnungsfroh in Ehen?
Xell-Skreiner: Oh ja. Erst sagt man: "Nein, nie wieder, das tue ich mir nicht mehr an". Und je mehr Jahre vergehen und je größer die neue Liebe wird, desto hoffnungsvoller wird man und idealisiert das.