Auch der neue Wohnbaustadtrat Michael Ludwig betont: "Für eine Privatisierung von Gemeindebauten stehe ich nicht zur Verfügung"

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STANDARD: In Wien werden jährlich 5000 geförderte Neubauwohnungen errichtet. Wie sollen die aussehen? Was sind die Qualitätskriterien?

Ludwig: Die Wirtschaftlichkeit, die ökologischen Voraussetzungen und zum Dritten die Architektur, die ästhetische Gestaltung für das Gesicht dieser Stadt.

STANDARD: In den nächsten Jahren wird das Stadtbild in großen Entwicklungsgebieten geprägt. Werden die mit Themen besetzt?

Ludwig: Mit Themenbauten haben wir gute Erfahrungen. Ich werde mich bemühen, keine Wohnbauten von der Stange zu liefern – sondern Wohnformen, die für einzelne Zielgruppen attraktiv sind. Am Flugfeld Aspern bietet sich etwa auch die Kombination von Wohnen und Arbeiten an.

STANDARD: Eines der größten Probleme derzeit ist der rasante Anstieg des Energieverbrauchs in neuen Bürobauten.

Ludwig: Richtig. Aber da sind auch die Möglichkeiten des Landes Wien beschränkt.

STANDARD: Wien könnte in der Bauordnung Normen einführen.

Ludwig: Man muss auch die Verbindung von ökologischem Anspruch und der wirtschaftlichen Machbarkeit berücksichtigen. Dass es Möglichkeiten gibt, ist richtig – aber ich will da in Abstimmung mit anderen Bundesländern und den Bundeseinrichtungen vorgehen.

STANDARD: Inwieweit wird es Innovationsschwerpunkte geben, etwa in Richtung fassadenintegrierter Solartechnik?

Ludwig: Die internationale Energiesituation ist dazu angetan, alles anzudenken, was mithilft, Energie einzusparen. Wir werden unsere Erfahrungen bei Niedrigenergie- und Passivhäusern auswerten und in einem weiteren Schritt zusätzliche ökologische Maßnahmen setzen.

STANDARD: International gibt es bereits große Fotovoltaikprogramme. Wird es auch einen Wiener Schwerpunkt geben?

Ludwig: Auch hier muss man sich die wirtschaftliche Machbarkeit ansehen. Solartechnologie ist aber sicher ein wichtiges Thema.

STANDARD: Im Wohnbaubereich gab es bisher die meisten rot-grünen Projekte. Wird diese Tradition fortgesetzt?

Ludwig: Daran habe ich großes Interesse, auch dass wir neue Themenfelder finden. Da gibt es bereits erste Gespräche.

STANDARD: Zur Architektur: Wird die Wettbewerbskultur weiter ausgebaut?

Ludwig: Die Wettbewerbe sind in Summe ein sehr positiver Ansatz, weil sie auch für mehr Transparenz sorgen. Ein besonderes Augenmerk werde ich auf die Förderung junger österreichischer Architekten legen. Da haben wir ein großes Potenzial.

STANDARD: Wie sieht das Haus der Zukunft aus?

Ludwig: Es sollte mit geringstem Energieaufwand geführt werden können, sollte ästhetisch ansprechend ausgestaltet sein und sollte unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Auch im Hinblick auf die gesamte Lebensbiografie. Eine junge Familie mit Kindern sollte auch im Alter in der gleichen Wohnung leben können.

STANDARD: Soll es mehr Kunst am Bau geben?

Ludwig: Das ist sehr wichtig, weil der Bezug zur Ästhetik meist nicht in traditionellen Kultureinrichtungen, sondern durch Konfrontation im öffentlichen Raum geschaffen wird.

STANDARD: Konfrontation auch durch Provokation?

Ludwig: Kunst kann immer alles sein. Auch Provokation.

STANDARD: Zur Sanierung: Droht Teilen von Wien die Verslumung?

Ludwig: Dieses Problem sehe ich nicht. Natürlich sind verschiedene Bezirksteile unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen unterworfen. Hier ist es wichtig, nicht nur kurzfristige Maßnahmen zu setzen. Daher werde ich mir Studien zur topografischen Entwicklung sehr genau ansehen. Da geht es auch um die Frage, wie unterschiedliche Generationen im Wohnumfeld besser zusammengeführt werden können.

STANDARD: In welchen Gebieten gibt es den größten Handlungsbedarf?

Ludwig: Sicher in den Gebieten mit Privatbauten aus der Gründerzeit.

STANDARD: In Bezirken mit hohem Ausländeranteil: Soll die Situation im Grätzel verbessert – oder die Durchmischung in ganz Wien forciert werden?

Ludwig: Fast ein Drittel der Wiener Bevölkerung hat Migrationshintergrund. Daher wird sich mittelfristig automatisch eine Durchmischung ergeben.

STANDARD: Könnten Sie sich eine Privatisierung von Gemeindebauten vorstellen?

Ludwig: Höchstens bei Häusern, die keine Gemeindebauten im eigentlichen Sinn sind. Generell stehe ich für eine Privatisierung von Gemeindebauten nicht zur Verfügung.

STANDARD: Der Gemeindebau wurde durch eine EU-Richtlinie für Nicht-EU-Bürger geöffnet. Wie wirkt sich das aus?

Ludwig: Unsere Einschätzung war richtig: Das Interesse war groß, aber in vielen Fällen hat sich gezeigt, dass die Interessenten den Kriterien, die für alle gelten, nicht entsprachen.

STANDARD: Wie ist der Stand bei den Vormerkscheinen?

Ludwig: Im Vorjahr gab es 782 Zuweisungen von Gemeindewohnungen. Die Wartezeit beträgt im Schnitt zwei Jahre.

STANDARD: Soll der Bund den Berufsstand des Hausmeisters wieder einführen?

Ludwig: Das waren schon wichtige Kommunikatoren. Die Diskussion auf Bundesebene wird sicher durch unsere Beiträge bereichert werden. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD print, 31.1.2007)