Twilight Singers: "Stitch In Time"
Der wahrhaftigste weiße Blues- und Soulsänger unserer Tage, Mark "The Voice" Lanegan, erhebt auf dieser EP mit Greg Dullis Twilight Singers – früher: Afghan Whigs – einmal mehr seine Götterstimme. Zu hören und gänsehauttechnisch zu erleben ist er hier in der Sehnsuchtsnummer "Live With Me", im Original eine Zusammenarbeit von Massive Attack mit dem Chicagoer Soul-Barden Terry Callier – auch nicht schlecht, aber kein Vergleich mit der Version, die Lanegan hier abliefert. Mein Gott, mein Gott. (Hoanzl)

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Mark Lanegan

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Grinderman: "Same"
Sich schon seit Monaten als Vorabalbum im CD-Player schwindlig drehend, erscheint Anfang März endlich das Debüt von Grinderman, ein Nebenprojekt von Nick Cave mit drei der Bad Seeds. Darauf frönt er weniger seinem zuletzt schon sehr gemächlich und ein wenig selbstgefällig-routinierten Balladentum, sondern wendet sich zurück in jene Zeit seiner Biografie, als er sich an der Kollision von Blues und Punk ergötzte. Warren Ellis, der sonst als Rumpelstilzchen mit seiner Arschgeige nervt, ist zum ersten Mal erträglich, ja, sogar richtig gut. Cave selbst lärmt an der Gitarre – und mit Ausnahme des etwas gar peinlich beginnenden "Love Bomb" ist der Beinahkahle hier in einer Frische zu erleben, für die man sonst "From Her To Eternity" oder "The Firstborn Is Dead" aus dem Regal ziehen muss. (Mute/EMI)

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Grinderman

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Bloc Party: "Weekend In The City"
Nach dem eher trottelig angedachten und deshalb auch so ausgefallenen Remix-Album, legt die Bloc Party nun ein richtiges Album nach und deutet seine ursprünglich im Postpunk der frühen 1980er verankerte Ästhetik hier verstärkt auf den Terminus "Party" in ihrem Bandnamen. Kein Schaden. Das resultiert nämlich nicht nur in superscharfe Rocksongs mit Tanzoption, stellenweise klingen Bloc Party gar, als würden sie die Jungs von TV On The Radio mit in die Disco nehmen: "A Weekend In The City" eben. Geilo! (Wichita/Edel)

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Bloc Party

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The Good, the Bad & the Queen: "Same"
Dass er ein arger Kotzbrocken vor dem Herren ist, bewies nicht nur ein In-echt-Zusammentreffen mit ihm, auch aktuelle Interviews mit Damon Albarn zeigen, dass er noch immer den pampigen 17-jährigen gibt, dem jede Annäherung an seine neue Platte zutiefst zuwider ist. Konsequenterweise sollte er dann schweigen und keine Interviews geben. Davon unabhängig ist dieses nach den Gorillaz und seinem Ausflug in die Weltmusik ("Mali Music") dritte Nach- bzw. Nebenprojekt zu Blur ein großer Wurf. Großartige Songs zwischen Brian Wilson und einem originären, stellenweise Dub-affinen Pop, den prominente Mitstreiter wie Ex-The-Clash Paul Simonon, Drummer Tony Allen (Fela Kuti) und Simon Tong (The Verve) kongenial unterstützen. (Virgin/EMI)

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The Good, the Bad & the Queen

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The Tyde: "Three’s Co."
Dieser Eintrag fand sich schon einmal in einer Playlist, aber dieses Album von The Tyde ist einfach so fantastisch, dass es hier noch einmal vorgebetet werden muss: Eine der definitiven Entdeckungen des letzten Jahres: Ein Instant-Evergreen. Bestechender, großgeschriebener POP!!! Die seit drei Alben bestehende kalifornische Band besticht auf "Three’s Co." als genialische zeitgenössische Reinkarnation der Beach Boys, die hier – fiktiv – mit den Byrds im offenen Schlitten den Strand entlang cruisen. Darren Rademaker, Kopf der Tydes und selbst leidenschaftlicher Surfer, schafft eine unprätentiöse, fröhliche und schlaue Popplatte, die weniger die melancholische Strandbuben-Abteilung bedient, sondern jene, die man aus dem Frühwerk von Bret Easton Ellis und aus dem so genannten Paisley Underground kennt. The Strokes mit Sonnenbrand, hat jemand gemeint – besser kann man es nicht sagen. (Rough Trade)

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The Tyde

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Darondo: "Legs EP"
Nachdem im Vorjahr erstmals auf einem Album das leider schmale musikalische Erbe des überhaupt verloren geglaubten Southern-Soul-Sängers Darondo veröffentlicht wurde – er wurde irgendwo an der Westküste wieder entdeckt – hat nun ein alter Bekannter von ihm einige Aufnahmen in seiner Garage entdeckt, die ihm Darondo zwecks Verstauung einst anvertraut hatte: Was soll man sagen? Der zähe Deep Funk, der wie ein scharfer Lumpi in der Mittagssonne um die Ecke schleicht, ist genial. Ob es das Teil auch auf CD gibt – keine Ahnung. Das Vinyl steht im einschlägigen Fachhandel und bringt den Groove dieser gottvollen Aufnahmen ohnehin besser zum Klingen und Schwingen. (Black Market)

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ubiquityrecords

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Spiritualized: "Let It Come Down"
Dieses Album ist das definitive Meisterstück von Jason Pierce, der mit Spacemen 3 Ende der 1980er den dröhnendsten Heroinrock von überhaupt gespielt hat. Man höre hier nur "Stop Your Crying". Ein mit kathedralischem Bombast hoch gefahrenes Stück, dem ein üppiges Orchester und ein Gospelchor Engelsflügel verleihen, während Pierce mit seiner Gitarre wie mit dem Schneidbrenner dazwischen funkt. Der reine Wahnsinn. Eigentlich sollte es angesichts der diesem Song innewohnenden Kraft jeden gottverdammten Ipod sprengen. Bevor Spiritualized heuer endlich wieder ein neues Album veröffentlichen, das beste Vorspiel bis dahin. Für Neueinsteiger: Finger weg von den beiden verlockend "The Complete Works" benannten CDs, hier wurden hauptsächlich öde Reste verwertet. (BMG)

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Spiritualized

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Opal: "Happy Nightmare Baby"
Sagen wir so: Wenn es in den 1980ern ein gültiges Statement im Genre des psychedelischen Rock gegeben hat, dann war es "Happy Nightmare Baby" von Opal. Die Vorgängerband der späteren, somnambulen Alternative-Stars Mazzy Star, produzierten unter David Robacks – zuletzt in Olivier Assayas "Clean" als er selbst zu sehen – engen Vorgaben ein weniger drogistisch unnachvollziehbares Spacerock-Unding, sondern ein hypnotisches Meisterwerk – verwegen komponiert, genialisch arrangiert, atmosphärisch verzaubernd – dem Kendra Smiths’ (u.a. The Dream Syndicate) distanzierten Gesang das Sahnehäubchen verpasste. Leider vergriffen und nie nachgepresst, findet man diesen Klassiker der Moderne leicht im virtuellen Auktionshaus – oder immer wieder im Second-Hand-Laden. Die US-Pressung besorgte SST, Rough Trade die europäische. Auf der MySpace-Fansite ist ein Video zu sehen, die vier Stücke sind allerdings vom ersten, nicht so tollen Album.

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The Shins: "Wincing The Night Away"
Den neuen Stars des ehemaligen Grunge-Labels Sub Pop gelingt auch auf ihrem dritten Lonplayer eine verführerische Mischung aus Sixties-Wohlklang, verwegenen Melodien, die die selbst zugegebene Auseinandersetzung mit komplexeren Kompositionen (u.a. Radiohead) erkennen lässt, ohne dass die Ergebnisse deshalb bleischwer oder überbehirnt ausfallen würden – das kann man James Mercer, Chef der Combo, beim besten Willen nicht nachsagen. So oder so: Eines der erstaunlichsten zeitgenössischen Popalben, File under: rare Schönheit. (Sub Pop)

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The Shins

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Lee Hazlewood: "Love And Other Crimes"
Das wahrscheinlich beste Soloalbum des Kellerbaritons, der uns kurz vor Weihnachten sein letztes Album, "Cake Or Death", geschenkt hat, stammt aus 1968 und ist bislang nur als LP erhältlich. Darauf hört man den Unvergleichlichen in sparsamen wie erlesenen Arrangements brillantes Liedgut zum Plattentitel formulieren, das dunkelschwarze "Pour Man" (werkgetreue Schreibweise!), das leidende "Forget Marie" sowie den Hit des Albums, den sonnendurchfluteten "House Song". Lee, du Gott! Solche Alben werden leider nicht mehr gemacht. (Reprise) Geniale Fansite: web.inter.nl.net/users/wilkens

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