Wie oft bei Renovierungsarbeiten verschieben sich die Handwerkertermine. Microsoft hat sich bei der Generalüberholung seiner beiden Flaggschiffprodukte Windows und Office reichlich Zeit gelassen - jedenfalls kann man dem Softwareriesen nicht mehr den Vorwurf früherer Zeiten machen, mit einer raschen Abfolge von Updates Geld machen zu wollen. Seit heute, Dienstag, sind jedenfalls Vista und Office 2007 auch für Endverbraucher im Handel.

Dominanz

Für PC-Benutzer ist dies aufgrund der Dominanz der beiden Produkte eine der wesentlichsten Änderungen in vielen Jahren. Während Vista zwar wie berichtet eine wesentlich überarbeitete Optik und viele praktische neue Funktionen anbietet (z. B. schnelle Stichwortsuche in allen Arten von Dateien, vereinfachte und verbesserte Bildverwaltung, kleine Internet-Programme als Seitenleiste), aber weit gehend ähnlich wie bisher zu bedienen ist, birgt Office 2007 eine wesentlich radikalere Neuentwicklung; möglicherweise die stärkste Veränderung seit dem Wechsel zur grafischen Benutzeroberfläche mit Windows.

Office, mit seinen wichtigsten Bausteinen Word, Excel und Powerpoint, hat sich über die Jahrzehnte zu einem wahren Feature-Monster ausgewachsen - mit Funktionen, die wahrscheinlich nicht einmal mehr allen Entwicklern bekannt waren. Von dieser Add-on-Philosophie hat Microsoft Abschied genommen und das Programm einem fast revolutionären Relaunch unterzogen, den Benutzer schon beim ersten Start durch grundlegend geänderte Bedienerführung bemerken (müssen).

"Ribbon

Die Menüs von früher sind dahin; ebenso die Bearbeitungspaletten, um Dokumente zu formatieren. Stattdessen gibt es eine neue Kommandozentrale, Englisch "Ribbon", Deutsch "Multifunktionsleiste" genannt: Alles, was an einem Dokument zu gestalten ist, wird hier mit direkten Klicks angesteuert. Besser noch: Wenn man mit der Maus über einen der Buttons fährt, ohne zu klicken, wird die neue Gestaltung vorübergehend und automatisch sichtbar. Erst der Klick auf die entsprechende Funktion führt die Änderung tatsächlich durch; die Benutzerin / der Benutzer spart sich, ausprobieren und rückgängig machen, wenn eine Änderung nicht passt.

Die oft aufreibende Suche nach Funktionen in einer endlosen Abfolge von Menüs und Untermenüs ist vorbei; so gut wie alles, was benötigt wird, liegt an der Oberfläche des "Ribbons", Pardon, der Multifunktionsleiste - besser gesagt: in acht Tabs (Reiter) des Ribbons. Denn je nach Arbeit, die man durchführt (wie Start - die Grundfunktionen - oder Einfügen oder Seitenlayout), enthält die Leiste unterschiedliche Funktionen und Buttons. Diese Ansichten wechseln teils automatisch aufgrund des Kontexts der jeweiligen Arbeit, z. B. wenn man ein Bild in einem Text bearbeiten will.

Neues Format

Diese bei intensiver Benutzung vereinfachte Bedienung der Office-Programme ist zugleich auch ihr größter Nachteil: Denn die Gewöhnung an die neue Benutzung ist, nun - gewöhnungsbedürftig. Nach Jahren, in denen wir gelernt haben, in welchen Menüs welche Funktionen verborgen liegen, begibt man sich erneut auf die Suche und wird einige Zeit der Arbeit mit dem neuen Office benötigen, um sich wieder hineinzufinden. Eingefleischte Office-Benutzer finden dies möglicherweise mühsam, auf Dauer bringt es wesentlich besseren Umgang mit den vielen Gestaltungsmöglichkeiten der Programme.

Office führt auch ein neues Format zur Datenspeicherung ein, nachdem Microsoft die doc-, xls- und ppt-Formate dankenswerterweise seit rund einem Jahrzehnt nicht angetastet hat. Die mit der Endung "x" kenntlichen neuen Formate (wie in "docx") gehen mit Speicherplatz sparsamer um, sind also meist kleiner als Dateien in den alten Formaten - aber in einer Welt des ständigen Datenaustauschs können sie vorübergehend zu Irritationen führen, da sie Benutzer früherer Office-Versionen zur Installation eines Hilfsprogramms nötigen; im Falle von Windows wird dieses automatisch im Internet gesucht, sobald man zum ersten Mal eine solche Datei öffnen will. Mac-Benutzer müssen bis auf Weiteres Konvertierungsprogramme installieren, da Microsoft dies erst für die nächsten Monate angekündigt hat.( Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe, 30.Jänner 2007)