Dreamgirls, Überraschungs-Achtfachkandidat der kommenden Oscars, erzählt eine Geschichte vom Aufstieg im Showbiz: von dessen angenehmen und unerfreulichen Begleiterscheinungen, von Freundschaft und Konkurrenz, Loyalität und Verrat, von Männern, die Entscheidungen treffen, und von weiblichen Künstlerinnen, die sich diesen Entscheidungen meist widerspruchslos fügen. Er erzählt außerdem eine Geschichte von der Selbstbehauptung afroamerikanischer Musiker und Musikerinnen gegenüber einer Unterhaltungsindustrie, die ihre Songs lieber gewinnbringend von weißen Künstlern verkaufen lässt.
80er-Musical
Dreamgirls - von Bill Condon fürs Kino adaptiert - basiert auf dem gleichnamigen Bühnenmusical, das Anfang der 80er-Jahre Premiere hatte. Das Stück wiederum ist an die Geschichte der Supremes und ihrer Plattenfirma Motown angelehnt - was man allerdings in musikalischer Hinsicht gleich wieder vergessen sollte: Können die Songs von Henry Krieger und Tom Eyen in ihrer manchmal aufdringlichen Forciertheit ihre Broadway-Herkunft doch nicht immer verleugnen.
Zunächst hat auch Dreamgirls, der Film, noch stark den Charakter einer Nummernrevue. Bühnenperformances dominieren, was sich dazwischen ereignet, wird in Montagesequenzen gerafft. Dann allerdings setzt langsam eine deutlichere musikalische Durchdringung der Erzählung ein, die einen beachtlichen Sog entwickelt - und Dreamgirls zu einem veritablen Filmmusical macht. Die Akteurinnen fallen vom Sprechen umstandslos ins Singen und artikulieren mit ganzem Körpereinsatz Sachverhalte oder Befindlichkeiten.
Blackness, offensiv Spätestens an jenem Moment, an dem für das Trio der Bruch mit Early und der Schritt nach vorne ansteht, entfaltet sich Dreamgirls als genuin filmische Erzählung. Die Problematik wird nicht mittels expliziter Erklärungen überformt, sondern über die Montage verdeutlicht: eine Bühnenperformance und die Reaktionen des Publikums, ein Song, der das, worum es geht, auf eine andere Ebene verlagert und trotzdem auf das Unausgesprochene verweist, Rassismen und verdeckte Gegenstrategien aufdeckt.
Effie (Hudson) wird zum Problem. Aber nicht primär, weil sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, sondern weil sie, wie Early, eine Form von offensiver Blackness verkörpert, die ein weißes Mittelklassepublikum provoziert. Aus den Dreamettes werden die Dreams, ein Pop-Produkt mit Kommerzpotenzial. Deena (Knowles) wird in der Folge systematisch zum Star der Gruppe aufgebaut.
Effies kleine rebellische Akte des Widerstands führen schließlich zu ihrem Rausschmiss und kulminieren in der Ballade "And I am Telling You I'm Not Going". Wobei angemerkt werden muss, dass die Inszenierung nicht nur hier irritierend ungelenk gegen die Wirkung der musikalischen Darbietung arbeitet.
Keine Nebendarstellerin
Dafür funktioniert das Schichtwerk der Referenzen, die Überlagerung der Ebenen umso besser. Die Filmerzählung ufert fortwährend in ihr Diesseits aus. Siehe etwa Jennifer Hudson, Golden-Globe-Preisträgerin und nunmehr Oscar-Anwärterin: Newcomerin, Finalistin der US-TV-Talentshow American Idol und als solche ein Spiegelbild der Anfänge ihrer Filmfigur - und nebenbei das lebendige Zentrum des Films (also keineswegs "Nebendarstellerin").
Beyoncé Knowles dagegen, Girlgroup-Frontfrau von Destiny's Child, inzwischen als Solokünstlerin immens erfolgreich, muss hier gerade kein nuanciertes Profil als Schauspielerin entwickeln, sondern in der Rolle der Deena als formbares Material für ihren Manager/Mann fungieren.