"Es ist nicht zu spät" plakatiert Greenpeace - und die "L'Allicance pour la Planete" ruft alle Menschen dazu auf, am Donnerstag von 19.55 bis 20.00 Uhr sämtliche elektrischen Geräte abschalten.

Foto: Greenpeace/Reynears
Ein gigantisches Thermometer auf dem Eiffelturm: Mit diesem Sinnbild lenkte Greenpeace die Aufmerksamkeit auf eine entscheidende Klimakonferenz am UNESCO-Hauptsitz in Paris. "Der neue UN-Klimabericht wird zeigen, dass der Klimawandel um einiges schlimmer ausfällt als befürchtet", meinte Matthias Schickhofer von der Umweltorganisation.

Die Konferenz der "intergouvernementalen Expertengruppe zur Klimaentwicklung" (IPCC) ist deshalb von großer Bedeutung, weil sie wissenschaftliche Grundlagen für politische Entscheide in Sachen Klimaerwärmung liefert. Ihr zweiter Bericht des Jahres 1995 führte zur Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls, das den Industrienationen einen Abbau der Treibhausgas-Produktion um fünf Prozent bis 2012 vorschreibt.

Diese Woche wollen die 500 Experten den vierten Bericht verabschieden. Er wird in drei Etappen veröffentlicht: Fakten zur Klimaerwärmung, Auswirkungen auf die Biosphäre sowie mögliche Auswege. Auf dieser Grundlage will die internationale Staatengemeinschaft neue Emissionsvorschriften ab 2012 festlegen.

Ende dieser Woche soll von dieser "Bibel der Klimaerwärmung" eine fünfzehnseitige Zusammenfassung erscheinen. Nach einer mehrjährigen Vorarbeit zahlreicher Forscher, Meteorologen, Geophysiker, Spitzenbeamter und Politiker aus allen Kontinenten wird nun jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. In dem IPCC-Bericht von 1995 bastelten die Experten einen ganzen Tag lang am zentralen Satz, wonach "eine Gesamtheit von Elementen einen spürbaren Einfluss des Menschen auf die Klimaentwicklung nahelegt".

Heute zweifeln die Experten nicht mehr daran, dass der Mensch für den globalen Temperaturanstieg verantwortlich ist. Jetzt wird in Paris vor allem diskutiert, wie die Erwärmungs-Spirale gestoppt werden kann; Hitzewellen, Gletscherschmelzen, warme Winter und der Anstieg des Meeresspiegels lassen vorsichtige Aussagen früherer IPCC-Berichte als hinfällig erscheinen.

Und damit auch die Maßnahmen, die bisher auf dieser Grundlage getroffen wurden. Wie Konferenzteilnehmer gestern verlauten ließen, hat der Ausstoß von Treibhausgasen seit 2001 erneut von 6 auf 7,2 Milliarden Tonnen pro Jahr zugenommen. Während die USA als wichtigste Industrienation das Kyoto-Protokoll gar nicht befolgen, dürften sogar Unterzeichnerstaaten wie Spanien oder Kanada ihre Vorgaben verfehlen. Und die großen Schwellenländer wie China oder Indien erhöhen den CO2-Ausstoß regelmäßig. "Es ist nicht zu spät" appellierte Greenpeace zu Beginn der Klimakonferenz. (Stefan Brändle/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 1. 2007)

---> Hintergrund: Die Bedeutung des IPCC-Berichts

Hintergrund: Die Bedeutung des IPCC-Berichts

Der so genannte IPCC-Bericht ist die wichtigste wissenschaftliche Grundlage für die internationale Klimapolitik. Der UN-Ausschuss für Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change; IPCC) wurde 1988 vom UN-Umweltprogramm (UNEP) und dem Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. Seine Aufgabe ist nicht nur, alle Daten über die Erderwärmung und deren Auswirkungen zu analysieren. Die 2.500 beteiligten Wissenschaftler entwickeln auch konkrete Maßnahmen. Alle fünf bis sechs Jahre legen sie ihren Bericht vor.

In seiner ersten Studie bestätigte der IPCC 1990 die höchste Erderwärmung seit 10.000 Jahren und prognostizierte ein Ansteigen der Temperaturen von 0,3 Grad im 21. Jahrhundert. Der zweite IPCC-Bericht von 1995 bildete die Grundlage für das Kyoto-Protokoll von 1997. Der dritte Bericht von 2001 lieferte den bisher alarmierendsten Befund: Ein Anstieg des Meeresspiegels zwischen neun und 88 Zentimetern bis 2100 sowie einen Temperaturanstieg bis 5,8 Grad. Deutlicher als je zuvor wurde darin der Mensch als Verursacher der Entwicklung identifiziert.

Im Entwurf für den vierten Bericht, dessen erstes Kapitel am Freitag in Paris veröffentlicht wird, sind die Zahlen weniger dramatisch, dafür genauer: Um zwei bis 4,5 Grad höhere Temperaturen, ein Anstieg des Meeresspiegels um knapp 13 bis 58 Zentimeter. Weil der IPCC alle verfügbaren Daten und komplexen Modelle zu integrieren versucht und zudem Vertreter der Industrie sowie aus Staaten wie Saudi-Arabien, die vom Ölexport leben, mitarbeiten, sind seine Prognosen zurückhaltend. (APA/red)