Struma und Kretinismus fast ausgestorben
Besonders häufig war der Kropf (Struma), in extremen Fällen konnte Jodmangel bei Kleinkindern sogar zu schwerer körperlicher und geistiger Behinderung, dem so genannten Kretinismus, führen. Seit der per Gesetz verfügten Speisesalzjodierung 1963 hat sich die Situation in Österreich deutlich verbessert, "Dadurch", so der Grazer Internist und Nuklearmediziner Wolfgang Buchinger, "ist der Kretinismus in Österreich praktisch ausgestorben, und die Kropfhäufigkeit hat massiv abgenommen."
Jodversorgung bringt Immunerkrankung
Durch die bessere Jodversorgung kommt es allerdings vermehrt zu Immunerkrankungen der Schilddrüse, vor allem der Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis). "Verglichen mit Kretinismus oder einer großen Struma, die operiert werden muss, ist das jedoch bei Weitem das kleinere Übel", sagt der Schilddrüsenexperte.
Morbus Basedof - Schilddrüsenüberfunktion
Ebenfalls eine Autoimmunerkrankung ist die immunogene Schilddrüsenüberfunktion Morbus Basedow, eine Erkrankung, bei der der Körper gegen die eigene Schilddrüse Antikörper entwickelt, was allerdings nicht zu einer Unterfunktion führt, sondern die Schilddrüse zu einer vermehrten Hormonbildung anregt.
Heiße Knoten - kalte Knoten
Die Bildung eines Tumors ist von der Schilddrüsenfunktion völlig unabhängig: In den meisten Fällen sind Knoten die Folge einer unbehandelten Struma. Man unterscheidet aktive, so genannte "heiße Knoten", von kalten. "Heiße" Knoten produzieren unkontrolliert Schilddrüsenhormone, man spricht vom autonomen Adenom, kalte Knoten sind zwar funktionslos, können aber ungebremst wachsen. Die Gefahr, dass sie bösartig wuchern, ist größer als bei heißen Knoten.
Schilddrüsenkarzinome
"Zwar sind Schilddrüsenkarzinome nicht häufig, die Inzidenz nimmt aber weltweit zu", weiß Buchinger. Warum? "Die Zahl der rechtzeitig erkannten Karzinome steigt mit den verbesserten Diagnosemöglichkeiten. So kann man mittels Ultraschall schon sehr kleine Knoten erkennen, und auch die histologische Aufarbeitung ist heute genauer." Die Mortalität nimmt trotz steigender Inzidenz allerdings nicht zu, denn mit einer Heilungsquote von über 90 Prozent ist das Schilddrüsenkarzinom eine der am besten behandelbaren Krebsarten.
Selen als Therapeutikum
In der neueren Forschung wird dem Selen als Therapeutikum - neben Jod, dem Schilddrüsenhormon Levothyroxin bei Unterfunktion und Schilddrüsen blockierenden Medikamenten (Thyreostatika) bei Überfunktion - eine immer größere Bedeutung beigemessen. "Es gehört wie Jod, Eisen und Zink zu jenen Spurenelementen, deren Mangel klinisch fassbare Wirkungen auf die Schilddrüse mit sich bringt", erklärt der Wiener Endokrinologe Michael Weissel.
Da es in Österreich einen leichten Selenmangel gibt, empfiehlt er eine tägliche Selensubstitution von 200 Mikrogramm. "Auch in der Therapie könnte Selen langfristig zu einer Verbesserung beitragen, einen wissenschaftlichen Nachweis gibt es dafür bis jetzt aber noch nicht."
Jod mit Eisen
Aktuelle Studien konnten zudem zeigen, dass auch Eisenmangel - vor allem in Entwicklungsländern - zu Struma führen kann. "Deshalb", so Weissel, "muss man dort bei der Behandlung Jod mit Eisen kombinieren."
Rauchen
Dass Rauchen eine Vielzahl von Organen schädigt, ist bekannt. Neu ist allerdings die Erkenntnis, dass es auch die Schilddrüse in einem messbaren Ausmaß beeinflusst. "Raucher", so Weissel, "bekommen leichter eine Struma, erstaunlicherweise aber seltener eine Autoimmunthyreoiditis." Warum dies so ist, konnten die Forscher bislang noch nicht herausfinden.
Leidet ein Raucher jedoch an der Basedow'schen Erkrankung - bei der sich das Abwehrsystem gegen die Schilddrüse richtet und so eine Entzündung mit Hormonüberproduktion bewirkt -, führt das sehr häufig auch zur gefürchteten Basedow'schen Augenerkrankung.
Schilddrüsenhormon-Stoffwechsel