Vollmundige Werbung in Englisch, die niemand wirklich versteht. "Chinglish" soll aus dem Straßenbild verschwinden.

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Peking - "Gan Guo Niu Wa" - die vier Schriftzeichen stehen auf der Speisekarte einer Gaststätte in Nordchinas Provinz Hebei. Das Gericht verspricht für umgerechnet vier Euro "Ochsenfrosch in der Kasserolle". Das goutieren aber nur Feinschmecker, die die Schriftzeichen für Gan Guo (Schmortopf) entziffern können. Ausländer schrecken nach einem Blick auf die Übersetzung zurück. Der hauseigene Englischspezialist hat das Zeichen Gan mit einem chinesischen Slangwort für intime Beziehungen gleichgesetzt. "Fuck a bullfrog" steht übersetzt da. Auch die Werbung, man sei spezialisiert auf "Gan Guo, Bao Zai und Shui Zhu Lei", also auf "Kasserollen, Römertopf und viele Arten gesottener Gerichte" stellt in der Übersetzung den Gast vor die Qual der Wahl: "Fuck the pot" oder "Water to boil the type".

Fehler kopiert

Pekings Internetportal Sohu.com veröffentlichte die schräge Speisenfolge unter einer neuen Rubrik: "Menüs, die Ausländer in den Wahnsinn treiben". Sohu forderte ein Ende solch absurder Übersetzungen. Ihr Grund liegt weit zurück. Im Fall des Gan Guo muss irgendjemand mal den Begriff "gan" falsch übersetzt haben. Seine Vorgabe wurde tausende Male kopiert. Seitdem steht selbst in Supermärkten über Regalen mit "San Gan Guo" (lose Trockenfrüchte) der Sinnlos-Spruch: "Spread to fuck the fruit".

"Chinglish" heißt der verbreitete Vokabelsalat aus Chinesisch und Englisch, der sprachkundige Chinesen zutiefst beschämt. Von stammelnden Gebrauchsanleitungen für technische Geräte: "Mach Ding auf, rüber, rauf und rund drehen" reicht das Rätselraten bis zur Mausefalle der Pekinger Umweltfirma "Grünes Blatt". Aus ihrer patentierten, "für Menschen unschädlichen Klebefalle für Ungeziefer" wird im Englischen ein "sticky rat trapsis hormless in bady".

Die drittgrößte Welthandelsnation kann sich Chinglish aber nicht mehr leisten. Sie ruft zum Kampf gegen den Kauderwelsch auf. Mit den Olympischen Sommerspielen 2008 vor der Tür will Peking nicht zum Gespött internationaler Besucher werden.

Seit Anfang 2006 hat die Stadtregierung unter Leitung eines Vizebürgermeisters eine "Führungsgruppe zur Vereinheitlichung des englischen Sprachgebrauchs" eingesetzt. Sie koordiniert 43 Stadtämter. Zehn Arbeitsgruppen beraten und 30 Sprachexperten durchforsten Aufschriften auf Straßenschildern, in Touristenspots, U-Bahnhöfen, Krankenhäuser, Sportstätten oder Kulturforen. Ziel ist, bis Ende 2007 Peking zur fehlerfreien Weltmetropole zu machen, in der sich Touristen auch ohne Kenntnis der Landessprache zurechtfinden. Ende Dezember trug die Pekinger Initiative "Bürger sprechen Englisch" zehn Tage lang fast 2000 Übersetzungen für die Namen der gängigsten Gerichte und Getränke zusammen. Sie entwarfen nach dem Prinzip von Wikipedia eine eigene Webseite, die erweitert werden kann: "Beijing speaks to the World".

Für die Olympiametropole entwickelten nun deutsche Informationstechniker mit Pekings städtischer Software-Firma einen "COMPASS 2008." So nennt sich eine über GPS gesteuerte Software, die als vernetztes Informationssystem in Taschencomputern und Mobiltelefonen eingesetzt werden kann. "Der Kompass erkennt nicht nur den Standort des Touristen, sondern kann auch für ihn mit elektronischer Stimme sprechen", berichtet der Pekinger Informatikingenieur Liu Weiquan. "Vor allem lässt er sich einfach bedienen."

Das fanden auch sprachunkundige Touristen, die ihn testeten. Auch in Restaurant fanden sich die Testpersonen zurecht. Sie klickten sich durch Namen, Fotos und Beschreibungen der Gerichte durch. Sie wählten sie in Englisch aus und bestellten sie dann in Chinesisch. Auch Hühnchen im "Gan Guo"- Schmortopf. Denn sie stolperten über kein F-Wort mehr. (Johnny Erling, DER STANDARD - Printausgabe, 29. Jänner 2007)