foto: PhotoDisc
Zurückhaltende Menschen, die gelernt haben, sich selbst zu hinterfragen, sich weit gehend über Leistung definieren und sich im Inhaltlichen wohler fühlen als in der Darstellung, haben meist zwei Probleme: Sie tun sich schwer mit Smalltalk, und wenn sie von anderen Menschen etwas brauchen oder wollen, überlegen sie sich das im Vorfeld so genau, dass sie sich selbst letztlich als Bittsteller empfinden und dann oft gar nichts sagen. Vielleicht kommt da noch eine schlechte Erfahrung dazu, wo man mit einem Anliegen kalt "abgefahren" ist.

Für den Aufbau von Netzwerken und die eigene Weiterentwicklung darin sind das denkbar schlechte Voraussetzungen. Dass dieses Bittsteller-Syndrom meist nur ein Selbstbild ist, das zum Gefängnis wird, hat unser Netzwerktreffen des Standard-Mentoring-Circle (siehe: "Linearität ist Gift für das Networking") eindrucksvoll gezeigt: Die wirklich Großen an den Schalthebeln wissen ganz schnell und sehr genau, wer mit Nehmerqualitäten an sie herantritt, nur ein bisschen schleimt und bewundert, um aus dem Kontakt möglichst schnell Profit zu schlagen. Und sie wissen, wer ein echtes Anliegen hat und bereit ist, auch zu geben. Und das interessiert die wirklich Großen auch. Weil sie nicht vergessen haben, dass sie nicht als Vorstandschef geboren wurden. Weil sie fördern wollen. Daran zeigt sich auch wirkliche Größe.

Unternehmensberaterin Marlies Buxbaum, die selbst lange in Führungsfunktion bei KTM und Berndorf war, appellierte: "Empfinden Sie sich nicht als Bittsteller, wir haben alle einmal begonnen." Vivatis-Vorstandschef Friedrich Seher ist (stellvertretend für unsere Mentorinnen und Mentoren) "angetreten, um zu geben". Diese Haltung erwartet er aber auch vom Nachwuchs. Dann werden Türen geöffnet, Zugänge ermöglicht. "Bittstellen" oder ein zurückhaltender Charakter sind dabei überhaupt kein Thema. Kalte Nehmerqualitäten und die Überzeugung, es stünde einem sowieso zu, allerdings schon. (Karin Bauer, Der Standard, Printausgabe 27./28.1.2007)