Staatsoperndirektor Ioan Holender kam, obwohl er ein Supersparmeister ist, in der letzten Saison nicht mit dem Budget aus: "Zum ersten Mal seit der Ausgliederung 1999 haben wir ein Minus - in der Höhe von 2,5 Millionen Euro." Foto: Hendrich

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Ob er 19 oder 20 Jahre Staatsoperndirektor sein wird, ist ihm angeblich egal. Falls er doch bis 2011 weitermachen darf, würde er die verstaubtesten Produktionen neu inszenieren lassen, kündigt Ioan Holender im Interview an

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Standard: In der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag wurde die Bilanz 2005/2006 abgesegnet. Haben Sie doch wieder einen Gewinn erzielen können?

Ioan Holender: Nein. Zum ersten Mal seit der Ausgliederung 1999 haben wir ein Minus - in der Höhe von 2,5 Millionen Euro. Der Verlust wurde aus dem Gewinnvortrag bedeckt. Mit den Rücklagen, die jetzt 5,7 Millionen ausmachen, schaffen wir die laufende Saison, denn die Einnahmen haben sich besser entwickelt als gedacht. Und auch die nächste Spielzeit schaffen wir noch. Aber dann sind alle Reserven aufgebraucht. Inklusive der zwei Millionen, die ich der Volksoper für das gemeinsame Ballett geborgt habe.

Standard: Die brauchen Sie also zurück. Und notfalls klagen Sie das Geld ein.

Holender: Das wird nicht notwendig sein. Aber generell: Es muss eine Erhöhung der Basis- abgeltung geben! Samt Valorisierung. Schon jetzt. Denn ich komme mit dem Budget nur dann aus, wenn ich die Bezüge nicht erhöhe. Aber ich muss sie erhöhen! 2007 habe ich 14 Pensionierungen im Orchester! Da sind ganz heikle Positionen dabei, die Erste Geige zum Beispiel. Die muss ich einfach nachbesetzen. Aber es melden sich immer weniger Kandidaten, welche die nötige Qualität aufweisen. Denn die Anfangsgehälter sind zu niedrig. Ein Wiener Symphoniker verdient am Anfang bereits mehr als ein Mitglieder des Staatsopernorchesters.

Standard: Sie hatten bereits ein Gespräch mit Kulturministerin Claudia Schmied. Sie werden Ihr doch gesagt haben, dass Sie mehr Geld brauchen.

Holender: >Nein. Das ist Sache der Bundestheaterholding. Die Ministerin hat mich zu sich gerufen, um die Zukunft des Hauses zu besprechen.

Standard: Wen würden Sie sich wünschen: einen schwachen Nachfolger, um eine gute Nachrede zu haben, einen starken Nachfolger oder Holender?

Holender: Einen starken Nachfolger, der sich um alle Belange dieses Hauses kümmert. Mit Selbstbewusstsein und ohne Cliquen, einen einsamen Menschen, wie ich es bin (grinst, Anm.), der mit allen Abteilungen - die Oper ist ein Gesamtkunstwerk - und mit dem Betriebsrat kann, der nicht Angst hat vor der Presse, vor Politikern und anfänglichen Misserfolgen.

Standard: Das würde bedeuten: Neil Shicoff, Freund des Kanzlers, scheidet aus.

Holender: Wenn Sie aus dem, was ich mir wünsche, Schlüsse ziehen, ist das Ihre Sache. Die Ankündigung, die Oper von Olga Neuwirth zu bringen, ist natürlich ein Blödsinn! Der Fall W. ist ja noch gar nicht komponiert!

Standard: Weil ja auch andere Sänger als Kandidaten genannt werden: Was halten Sie von einem solchen als Chef?

Holender: Eberhard Wächter war ein sehr guter Operndirektor. Aber er war vorher auch schon ein sehr guter Betriebsrat und ein langjähriges Mitglied des Ensembles.

Standard: Dann gibt es nur einen, der all das, was Sie einfordern, erfüllt: Holender selbst.

Holender: Am 2. April werde ich 15 Jahre Staatsoperndirektor sein. Eine so lange Direktionszeit gab es noch nie. 2010 werden es 19 Jahre sein. Und ob ich 19 oder 20 Jahre da bin, das spielt für mich überhaupt keine Rolle. Wenn es erforderlich sein sollte, werde ich die Spielzeit 2010/11 noch machen. Ich habe der Ministerin aber gesagt, ich müsste es bald, spätestens nach der Manon-Premiere am 3. März, wissen, um sie so gestalten zu können, wie es dem Rang des Hauses entspricht. Und das hat Claudia Schmied zugesagt: Ende Februar werden wir wissen, wie es weiter geht. Das ist auch deshalb wichtig, weil ich mit meinem Nachfolger die Stücke und Regisseure absprechen möchte. Er wird ja mit den Inszenierungen zu leben haben . . .

Standard: Was schwebt Ihnen denn so vor?

Holender: Es gibt etliche Kernstücke, die längst neu inszeniert gehörten: Don Giovanni, Traviata, Fidelio, Rosenkavalier und auch Tosca, obwohl das Bühnenbild schon fast zum Wohnzimmer der Wiener Opernbesucher geworden ist. Es ist gefährlich für einen Neuen, das alles anzugehen. Aber für ein Auslaufmodell wie mich wäre es möglich.

Standard: Roland Geyer führt das städtische Theater an der Wien als Stagionebetrieb. Die Auslastungszahlen von "Idomeneo", einer Staatsopernproduktion, sind verheerend ...

Holender: Das stimmt. Das Problem ist: Wenn man nur 56 Vorstellungen im Jahr spielt, wird das Theater an der Wien nie in das Bewusstsein der Menschen eingehen. Die fragen ja nicht: "Was spielen die heute?" Sondern: "Spielen die überhaupt?" Dass Geyer nur zwei von zwölf Monaten spielt: Das hat nichts mit Stagione zu tun. Siehe Scala: Natürlich geht das! Ich habe immer gesagt: Man muss dem Haus eine Identität geben! Geyer ist ein bisschen ein Verwalter dort. Denn die Festwochen machen ihr Programm, der Moretti erzählt etwas über ein Bergwerk, dann tritt der Heltau auf, dann spielt Andras Schiff im akustisch falschen Haus Beethoven-Sonaten . . .

Standard: Möchten Sie das Theater an der Wien noch immer übernehmen?

Holender: Bund und Stadt waren in den letzten Jahren wie Nord- und Südkorea. Aber jetzt ist da wie dort die SPÖ für die Kultur zuständig. Das könnte Auswirkungen haben für das Theater an der Wien. Es wird bereits über eine Konstruktion nachgedacht, die zielführender ist. Warum darf die Staatsoper nicht haben, was andere große Häuser sehr wohl haben: eine zweite Spielstätte. Das A und O muss jedenfalls sein, das Theater an der Wien mehr zu bespielen.

(DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2007)