The Good, The Bad & The Queen (EMI).

Foto: Parlophone/Soren Starbird
Damon Albarn gilt mit seiner Vergangenheit als Kopf von Blur als große Nummer. Zumindest in Großbritannien punktet er seit den 1990ern als intellektueller Superheld eines gitarrenlastigen Pop im Zeichen von Ray Davies und The Kinks - sowie mit Gassenhauermelodien in Verbindung mit rotzigen Nasen, die dann damals zeitgleich von Oasis blutig geschlagen wurden. Man erinnere sich an das für seine Zeit doch reichlich großartige Parklife aus 1994.

Eine noch immer gültige Arbeit für Maturanten im Fach Pop mit Dioptrien wie auch Pop mit Schmalz an den entscheidenden Reibepunkten. Merke: Sehnsuchtsvolle, von den Großen des Pop wie Beatles, Bolan, Bowie abgeschriebene, über- und überlebensgroß angelegte Melodien haben im Hause Albarn seit je einen klingenden Namen!

Comics-Band Gorillaz

Irgendwann sind Blur dann allerdings bezüglich der immer ambitionierter werdenden Absichten von Damon Albarn die Sicherungen durchgebrannt. Parallel zur 2001 erfolgten Gründung seiner auch außerhalb von Großbritannien zu Ruhm und Ehren gelangten, virtuellen Comics-Band Gorillaz (mit den Alben Gorillaz sowie Demon Days) und einem Sound, für den man den Begriff Weltmusik unter den Vorzeichen von breitbeinigem HipHop und schmalbrüstigem Britpop-Pathos hätte erfinden können, beschäftigte sich Albarn in den letzten verstärkt mit afrikanischer Popmusik.

Dabei lernte er den legendären, begnadeten und neben diversen richtungsweisenden Soloarbeiten vor allem auch über seine Zusammenarbeit mit Afropop-Superstar Fela Anikulapo Kuti bekannten, heute 66-jährigen nigerianischen Schlagzeuger Tony Allen kennen. Gemeinsame Demo-Aufnahmen mit ihm bilden nun den Ausgangspunkt einer namenlosen ,,Supergroup'', die sich in Ermangelung eines propperen Angebertitels nach ihrem jetzt vorliegenden Debütalbum nennt: The Good, The Bad & The Queen.

Afrikanische Polyrhythmik

Weil also der heute 38-jährige Damon Albarn nicht nur ein Musiker im besten Sinne ist, also beständig auf der Suche nach der Erweiterung seiner Ausdrucksmittel nicht etwa im sonst bei Leuten seines Alters gern gewählten US-Süden und seinen antiken Gründerstilen gelandet ist, sondern lieber abseits der ewig gleichen Viervierteltakt-Einheitsvorgaben im Mutterland der heute populären Musik, also in Afrika forscht, liegen jetzt mit den zwölf Songs von The Good, The Bad & The Queen nicht nur spannende Brückenkonstruktionen zwischen von Albarn an diversen Keyboards geschöpften, guten alten britischen Beatles- und Pop-Harmonien und afrikanischer Polyrhythmik vor. Diese schlägt der meisterliche Tony Allen völlig uneitel, unspektakulär und nebenher im Hintergrund aus seinen Drums wie unsereins Eiklar zu Eischnee.

Band-Zusammenstellung

Weil aber eine Supergroup im Zeitalter der auch schon länger nicht mehr genügenden Superlative mit zwei Kapazundern eher kärglich besetzt wäre, holte sich Albarn neben dem zuletzt auch schon bei Blur verpflichteten, ehemaligen The Verve-Gitarristen Simon Tong und dem von Gnarls Barkley bekannten State-of-the-Art-Produzenten Brian Burton alias Danger Mouse auch noch aus der Nachbarschaft einen netteren älteren Herren aus dem mit Malerstaffel und Fernreisen zugebrachten Vorruhestand zurück: Paul Simonon, Bassist der Punk-Gründerväter The Clash.

Den schätzt die Welt noch heute nicht nur wegen seiner im Reggae geerdeten Bassläufe. Als gitarrenzerschmetternder Coverboy des 1980 erschienenen, ganz objektiv gesagt göttlichen Clash-Albums London Calling wurde Simonon längst zu einer ikonographischen Figur im Pop. Damon Albarn mag bei der Band-Zusammenstellung zwar an große, verkaufsträchtige Namen wie eben Simonon oder Allen gedacht haben. Wie man auf dem Album jetzt hört, verfällt der alleinige Komponist und Sänger allerdings nicht dem Irrtum, mit seinem neuen Quartett entsprechend großkotzig punkten zu wollen.

Strandbuben-Chören

Keyboardlastig und kindermelodienfreundlich wie im Grundton melancholisch zart-bitter schleichen sich diese Lieder bei den ersten Hördurchgängen nebenher an. Sie drängen sich nicht auf, sondern schunkeln und schlingern mit tüchtig aufgetragenem Hall im unteren Tempobereich Richtung eines multikulturellen Londoner Sounds, der neben westlich geprägtem Pop von klassischen Rock'n'Roll-Kinderliedmotiven wie etwa im hübsch mit betrunkenen Strandbuben-Chören behübschten 80's Life eben auch diverse Ethno-Einflüsse verarbeitet - ohne sich diesen groß anzubiedern. Das hat Witz, das hat Biss und kommt nicht mit der Brechstange ins Haus.

Gemeinhin unterstellt man Damon Albarn, dass er Musik mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen produzieren würde. In der Theorie mag das zutreffen. In der Praxis haben wir es dennoch mit einem Menschen zu tun, der instinktiv das Richtige macht. Mit Sicherheit eines der zentralen Alben dieses noch jungen Jahres! (Von Christian Schachinger/Rondo, DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2007)