Yolanda Johnson (Meryl Streep, Mitte) gibt ihrer Tochter Lola (Lindsay Lohan) eine Chance auf der Bühne, Garrison Keillor sieht zu. Mit Lily Tomlin spielt Streep im "Prairie Home Companion" ein großartiges Country-Duo.

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Seit Jahrzehnten macht Garrison Keillor eine so unangepasste wie erfolgreiche Radioshow. Robert Altman hat ihr im Kino ein vorzeitiges Denkmal gesetzt. Die Doku-Fiktion "Prairie Home Companion" bürstet den amerikanischen Hörfunk gegen den Strich.

Wien – Auf der Bühne, hinter dem noch geschlossenen Vorhang herrscht Chaos. Die Sänger und Musiker sind auf dem falschen Platz, ignorieren Anweisungen, sind nervös. Erschwerend kommt dazu, dass das Theater am nächsten Tag geschlossen werden soll. Ob er das nicht wisse, fragt jemand den Mann im Mittelpunkt. Na und, antwortet Garrison Keillor gleichmütig, "jede Show ist die letzte Show".

In Robert Altmans neuestem und letztem Film "A Prairie Home Companion" geht es um das Ende. Er handelt davon, wie ein Finale abgewendet werden könnte, wie man dem Unausweichlichem mit Spott begegnet und sich doch damit abfindet, wie man mit Religion Trost finden und Geschäfte machen kann.

Es geht auch um das Medium Radio. Zwar sieht man weder die Zuhörer zu Hause noch die Zuschauer im Fitzgerald Theater in St. Paul, Minnesota. Aber der ganze Abend ist ein Liveprogramm des erfundenen Senders WLT. Und Garrison Keillor ist nicht nur auf der Bühne der unbeirrbare Moderator, Geschichtenerzähler und Sänger, er ist es auch im wirklichen Leben. Sein Programm hat dem Film den Titel gegeben, er hat das Drehbuch geschrieben und spielt sich selbst: "GK".

Der hochgewachsene Keillor ist eine lebende Hörfunk-legende. Sein "Prairie Home Companion", jeden Samstag spätnachmittags zwei Stunden live, gehört zu den erfolgreichsten Sendungen des öffentlichen Radios in Amerika, von hunderten Stationen übernommen, seit mehr als 30 Jahren on the air. Und seine Rundfunkanstalt, Minnesota Public Radio, ist nicht, wie WLT im Film, drauf und dran, von einem texanischen Fundamentalisten aufgekauft und zerlegt zu werden.

Gerade weil Keillor das Medium liebt, hat er ihm, nachdem er darüber geschrieben und gesungen hatte, auch im Kino ein Denkmal gesetzt.

Er greift nur auf, was vielen Sendern tatsächlich passiert. Schon Anfang der Neunziger beschrieb er im Roman "WLT – A Radio Romance" die Fährnisse eines Provinz-Radios (With Lettuce and Tomato), das im Zeitalter der automatisierten Abspielanstalten zum Untergang verurteilt ist. Seine Begeisterung für ein unangepasstes, überraschendes Medium geht aber noch viel weiter zurück. Es beginnt bei frühesten Erinnerungen, hat bis heute nicht aufgehört und ihn zu einem der wichtigsten Chronisten dieses Kapitels Kulturgeschichte gemacht.

Fans in Stadt und Land

Keillor, geboren 1942 in Anoka, Minnesota, als Sohn norwegischer und deutscher Einwanderer, siedelte ab 1974 den "Prärieheim-Begleiter" im Äther an. Er bevölkerte ihn mit knochig-lutheranischen Bauern aus dem fiktiven Dorf Lake Wobegon, über deren Alltag er auf der Bühne lange Geschichten spinnt. Dazu wechseln sich Country-, Folk- und Jazzmusiker ab. Das Ganze hat etwas merkwürdig Altmodisches, Vorbild waren Sendungen aus den Vierzigerjahren, als man bei Keillors zu Hause noch dem großen Kasten mit dem magischen Auge gelauscht hatte.

Der "Prairie Home Companion" startete in einer Zeit, in der das Radio in Amerika formelhafter wurde. Immer mehr der mittlerweile rund 14.000 Stationen folgten verlässlichen "Formaten" wie Country, Rock, Religion oder Sport. Insbesondere Talk hat zum schrillen Image des Mediums beigetragen, vom ordinären, mittlerweile zum Satellitenfunk abgewanderten Howard Stern bis zum reaktionären Plauderonkel Rush Limbaugh.

Dagegen hält Keillor mit einem sanften Grundton und mit etwas, das man zunächst für brave Familienkost halten könnte. Es ist die feine Ironie des Showmasters, seine Distanz zu den erfundenen und den realen gottesfürchtigen Patrioten, die ihm ungezählte Fans unter liberalen Großstädtern ebenso wie daheim auf dem Land bescheren.

Country, intellektuell

Die Bandbreite ist ungewöhnlich und amerikanisch in einer Weise, die Vorurteile gegenüber hinterwäldlerischen Midwest-Bewohnern – und gegenüber dem Medium Radio – infrage stellt. Man erwartet nicht, dass ein im öffentlichen Hörfunk auftretender Entertainer in einer Zeitschrift feststellt, es sei ihm völlig klar, dass sein Staatsoberhaupt ein falscher, korrupter, destruktiver Mann ist. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieser Mann in einer Country-Show zu Hause ist, zugleich im intellektuellen New Yorker veröffentlicht, Bestseller schreibt – darunter ein Buch voll des Spotts über die Welt der harten Männer – und zu allem Überfluss ein kleines Buchgeschäft im heimatlichen St. Paul betreibt.

Keillor überrascht mit den Haken, die er schlägt. Er, der landesweit als Inkarnation des gutes alten Hörfunks gilt, hört seiner Konkurrenz mit Freude zu, den rasenden Spinnern, den obszönen College-Amateuren, den Schreihälsen, die sich zu Botox, Bush und Nachbars Katze melden. "Es ist nicht meine Welt, aber ich besuche sie gerne."

Der anarchische Äther hat sich in seinen "Prairie Home Companion" eingeschlichen, erfundene Sponsoren werden gefeiert, der Ketchup-Beratungsausschuss gibt Tipps. Der Detektiv Guy Noir macht sich an die letzten Rätsel der Menschheit. Im Radio spielt ihn Keillor selbst, im Film Kevin Kline, eine ironische Figur, die über den Dingen stehen möchte und zum Schluss nur einem charmanten Tod aus dem Weg gehen will.

Das Kino kann zwar nicht die Intimität des "heißen Mediums" Radio eins zu eins übertragen. Doch in Altman hat Keillor einen wunderbaren Partner gefunden. Gemeinsam gelingt ihnen ein Porträt amerikanischer Populärkultur, rückwärtsgewandt vielleicht, aber nicht hoffnungslos. Und nicht ernst. (Michael Freund / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.1.2007)