Ein Stipendiat sei ein "Unterstützter", ein "Empfangender", sagt der Duden. Was aber ist mit jenen, die das Stipendium knapp verpasst haben?

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Neue Stipendien von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften oder vom Wissenschaftsfonds sollen Uni-Absolventen den Weg in die Forschung erleichtern. Dennoch klaffen deutliche Lücken im System, viele Talente gehen den Universitäten verloren.


So beginnen viel versprechende Karrieren: Notburga Gierlinger hat ihren Abschluss an der Uni für Bodenkultur gemacht, später erfuhr sie von einer Stelle am Max Planck Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam. Die Stelle war auf zwei Jahre beschränkt, dann wurde um ein weiteres Jahr verlängert. Doch was nun? So wie Notburga Gierlinger stehen jährlich hunderte Uni-Absolventen und Jung-Forscher vor der lebensverändernden Entscheidung: Bleiben – in der Forschung – oder gehen?

Viele müssen gehen, weil es nicht genügend Plätze an den Instituten gibt. Stipendien und Preise sollen diesen "brain drain" besser als zuvor eindämmen: Am kommenden Freitag verleiht die Österreichische Akademie der Wissenschaften in einem feierlichen Festakt Preise und Stipendien an junge Forscher, die damit die Chance bekommen, ihre Karriere in der Wissenschaft weiter zu führen (siehe Wissen).

Die gute Nachricht: Die Akademie hat zuletzt mit dem Kosmetik-Konzern L’Oréal einen neuen Sponsor gewonnen und konnte so die Anzahl der Stipendiaten auf rund 40 erhöhen. Auch der Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF) verschaffte allein mit den Schrödinger-Stipendien im Vorjahr 57 Forschern kräftigen Rückenwind für Karrieren an den besten Forschungseinrichtungen weltweit. All diese Bemühungen sind wichtig, gelten junge Forscher doch als Rückgrat des Forschungsbetriebes. Sie sind es, denen radikal neue Ideen zugetraut werden, sie sind es, die weitestgehend unbehelligt von administrativen Aufgaben arbeiten können.

Knapp verpasst

Doch was ist mit den Jungforschern, die – vielleicht nur knapp – eines der begehrten Stipendien verpasst haben? Ein erster Befund: Menschen, die vom lernenden Studenten zum forschenden Wissenschafter aufrücken wollen, fallen zwischen zwei Stühle. Der erste Sessel, den sie knapp verfehlen, ist jener der Österreichischen Hochschülerschaft ÖH. Zwar gibt es für die rund 15.000 Jungforscher, die auf ihr Doktorat hinarbeiten seit kurzem eine offene Plattform (www.doktorat.at). Wohin es diese Nachwuchskräfte jedoch nach der Überreichung der Abschluss-Urkunde verschlägt, wissen die Studentenvertreter nicht. "Wir wissen nicht einmal, wie viele Post Docs es in Österreich gibt", sagt Stefan Kurz von der ÖH. Der zweite Sessel, an dem die Post Docs vorbeischrammen ist jener der Gewerkschaft. "Für die Post Docs gibt es keinen Kollektivvertrag", sagt der Unfallchirurg Richard Kdolsky, der in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst mit der Verhandlung eines neuen Kollektivvertrages für Hochschullehrer befasst ist. "Derzeit hängt der Verlauf der Karriere von der Willkür der Rektoren ab."

Neidisch blicken Studenten- und Lehrervertreter in die USA, wo es an den Universitäten einen so genannten "Track" gibt, also eine Laufbahn, die nach transparenten Auslesekriterien verläuft. Und das funktioniert so: Gute Studenten können nach ihrem Abschluss an ihrer Universität bleiben, um zu forschen. Wissenschafter und Uni vereinbaren jedoch ein konkretes Ziel, das in den nächsten Jahren erreicht werden muss, etwa den Erwerb von zusätzlichen Qualifikationen, oder eine gewisse Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen. Schaffen die Forscher diese Vorgabe, können sie fix damit rechnen, in der Hierarchie aufzurücken – um eine neue Vereinbarung für den nächsten Karriereschritt zu treffen. Das geht bis hin zum "Tenure", also zur Anstellung auf Lebenszeit.

Der neue Kollektivvertrag für Hochschullehrer, der derzeit in Österreich verhandelt wird, soll ein vergleichbares Modell ermöglichen. Ganz einfach ist das nicht, weil so etwas im Universitätsgesetz nicht vorgesehen wurde. Doch die Mühe lohnt sich, sagt Gewerkschafter Kdolsky, weil ein "Track" sowohl für die Universitäten als auch für die Studenten Vorteile bringe: "Die Universitäten können die Besten behalten und die weniger Guten wegschicken. Und die Jungforscher wissen spätestens mit Anfang dreißig, ob sie es geschafft haben, Fuß zu fassen oder nicht." Notburga Gierlinger scheint diesem Ziel einen großen Schritt näher gekommen zu sein: Sie bekommt am Freitag ein APART-Stipendium verliehen, mit dem kann sie drei Jahre lang "völlig frei meine eigenen Ideen verwirklichen", so die Wissenschafterin. "Das wird mich meiner Habilitation näher bringen." Im dritten und letzten Jahr ihres Stipendiums will sie sich bemühen, eine Brücke zur Boku zu bauen, um danach wieder nach Wien zurückkehren zu können. (Gottfried Derka/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 24.1. 2007)