Die Einzelnen, nicht die Masse
Die Kampagnen im Netz sprechen den Einzelnen an, nicht die Masse. Schließlich ist die Aufmerksamkeit des Wählers ein kostbares Gut in Wahlkampfzeiten. Am Montagabend startete Hillary Clinton eine auf drei Tage angelegte Kampagne im Internet, bei der sie Fragen der Wähler per Web-Video auf ihrer Internet-Seite beantwortet. Dialog, nicht Monolog: "Jeder soll sich an der Diskussion beteiligen", sagte Clinton. Vor heimeliger Kulisse gab die Senatorin Auskunft über ihre politischen Pläne, ihre Lieblingsfilme und ihre Tochter Chelsea. Auch ihr schärfster innerparteilicher Widersacher um die Kandidatur, Senator Barack Obama, verkündete seine Absicht zur Kandidatur unlängst per Video im Internet.
Eigenwerbung
Für Politiker ist das Netzmedium ein günstiges und effektives Forum für die Eigenwerbung. Über das Internet können sie "die Filterfunktion der traditionellen Medien umgehen", sagt Lee Rainie, Programmdirektor einer Internetstudie beim Demoskopie-Institut Pew. Während Journalisten etwa beim Fernsehen oder bei Zeitungen eine Vorauswahl treffen, welche Worte eines Politikers an das Publikum weitergegeben werden, können sich Wahlkämpfer übers Internet ohne kritische Kommentierung direkt an die Wähler wenden. Das erzeugt den Anschein eines persönlichen Austausches. Genau darauf zielte auch das Motto von Hillarys Wahlkampf-Chat ab: "Lassen Sie uns ins Gespräch treten."
Belege
Demoskopen können die rasant wachsende Bedeutung des Internets für die politische Meinungsbildung mit Zahlen belegen: Bei den Kongresswahlen im vergangenen Jahr nutzte jeder dritte US-Bürger das Medium für politische Informationen - Tendenz stark steigend, wie das Institut Pew weiter herausfand. Für 15 Prozent ist das Internet bereits das wichtigste politische Informationsmedium, vor allem bei den jungen Wählern, um deren Stimmen Demokraten wie Clinton und Obama besonders werben.
Internet-Stratege
Für ihr Wahlkampfteam hat Hillary Clinton eigens einen Internet-Strategen eingestellt, Peter Dao. "Man kann hier eine Allgegenwart erreichen, die einfach verblüffend ist", urteilte Dao in der "Washington Post" über das Internet. Das Clinton-Team dürfte hoffen, über das Internet eine Imageverbesserung der als spröde und kühl empfundenen Kandidatin zu bewirken. Im heimischen Wohnzimmer erscheint Hillary Clintons Wahlkampfrhetorik fast wie freundliche Plauderei bei Kaffee und Kuchen. Es wirkt so, als sei der Eis-Panzer, der sie bei ihren Auftritten vor großem Publikum oft zu umgeben scheint, im sanften Licht der Beistell-Lampe abgeschmolzen.